Der Roman "Segen der Erde" ist die Geschichte des einfachen
bäuerlichen, der modernen Welt abgewandten Lebens im Ödland von Norwegen,
die um die Hauptfigur Isak aufgebaut worden ist. Diese lässt sich zum
Anfang des Werkes in einer Einöde nieder und beginnt, sich die Erde nutzbar
zu machen. Isak fällt Bäume im Wald, verkauft diese in das nächstgelegene
Dorf, errichtet sich eine Gamme, in welcher er und bald auch seine ersten
Tiere schlafen, er entwässert das Moor und bringt Saat auf seine Felder,
damit er Korn ernten kann. Es ist ein Leben ganz im Einklang mit der Natur,
und der Leser darf an seiner raschen Fortentwicklung teilhaben. Bald hat
Isak eine Frau, die Inger. Sie geht ihm zur Hand, sie gebiert ihm Kinder,
alles gedeiht, wächst. Weitere Ansiedler werden im Ödland sesshaft, aber
Isak bleibt durch seine unermüdliche Arbeitskraft, seine Tüchtigkeit immer
die schillerndste Person unter ihnen. Er genießt den Ruf eines Markgrafen -
er hat eine große Viehherde, einen Stall aus Stein, ein Sägewerk,
Bewässerungsgräben für dürre Sommer, eine Kutsche, Pferde; alles ist aus
eigener Arbeit entstanden.
Das in "Segen der Erde" geschilderte Leben läuft nicht ohne
Probleme ab, aber ich möchte diese hier nicht im einzelnen anführen. Von
herausragender Stellung ist jedoch das Thema des Kindesmordes, welches im
Buch gleich zweimal behandelt wird. Hier können wir eine Sichtweise einer
Zeit nachempfinden, in der es mit der Verhütung und dem
Schwangerschaftsabbruch nicht so einfach war wie heute.
Die Gegensätzlichkeit von Stadt- und Landleben ist ein fortschwelender
Konflikt, der sich durch das ganze Buch zieht. Als Inger für 8 Jahre in der
größeren Stadt Drontheim verweilen muss, da sie dort eine Haftstrafe wegen
Kindesmord verbüßt, ändert sie dadurch ihre Gewohnheiten. Das städtische
Leben, auch wenn Inger inhaftiert ist, ist nicht ohne Einluss auf sie. Als
sie eines Tages zurück nach Sellanraa, so heisst das Gut von Isak, kehrt,
fällt es ihr schwer, sich umzugewöhnen, das einfache Leben wieder
aufzunehmen. Oft sehnt sie sich nach der großen Stadt, aber mit der Zeit
verfliegt dieses Weh und sie ist wieder ganz die alte.
Auch in den Figuren der Barbro und des Eleseus, Sohn von Isak, sehen wir,
wie das Leben in der Stadt den Menschen verändert. Von ihren Wurzeln
entfernt, wollen sie groß tun wie die Städter, sie müssen den neuen
Kleidungsmoden hinterherlaufen und ihre Umgangsformen üben. Eleseus findet
sich im Ödland nicht mehr zurecht, als er aufgrund von Arbeitslosigkeit aus
der Stadt heimkehren muss. Doch für das Landleben ist er für alle Zeit
verdorben, er führt wenig erfolgreich einen Krämerladen und zieht dann in
die USA. Er kommt nie mehr zurück.
Die philosophische Aussage des Buches wird zu seinem Ende in den Worten des
ausgedienten Lehnsmannes Geissler in einem längeren Monolog
zusammengefasst:
Der Mensch und die Natur bekämpfen einander nicht, sie geben einander recht
[...]. Mitten drin geht ihr Leute auf Sellanraa und gedeiht. Der Berge, der
Wald, die Moore, die Matten, der Himmel und die Sterne - ach, das ist alles
nicht armselig und karg zugemessen, das ist ohne alles Maß! [...] Ihr habt
alles, was ihr zum Leben braucht, alles, wofür ihr lebt, ihr werdet geboren
und erzeugt neue Geschlechter, ihr seid notwendig auf der Erde. Das sind
nicht alle, aber ihr seid es: notwendig auf der Erde. Ihr erhaltet das
Leben. [...] Nicht Geld braucht das Land, das Land hat Geld mehr als genug.
Über die Stadtmenschen sagt er:
Sie sind krank und verrückt, sie arbeiten nicht, sie kennen den Pflug
nicht, sie kennen nur den Würfel. Haben sie denn keine Verdienste, sie
reiben sich ja auf mit ihrer Narrerei? [...] Der Fehler ist, dass sie nicht
mit dem Takt dess Lebens schreiten wollen, sie wollen rascher gehen als das
Leben, sie jagen, sie treiben sich selbst wie Keile ins Leben hinein. [...]
Dann zerbricht sie das Leben, höflich, aber bestimmt. Und dann beginnen die
Klagen über das Leben, das Toben gegen das Leben.
Mir hat das Buch gefallen, wenn auch nicht so sehr wie davor von Hamsun
verfasste. In seiner Sprache ist es eher nüchtern, die meiste Zeit werden
Handlungen beschrieben; in rascher Abfolge fußt eine auf der anderen. Dies
führt dazu, dass man bald eine gewisse Sättigung am Gedeihen von Sellanraa
verspürt, die sich gerade um die Schnittstelle von Teil 1 und 2 des Buches
bemerkbar macht, aber es lohnt sich dennoch, das Buch zu Ende zu lesen und
die in ihr dargestellte, längst untergegangene Welt, in der man noch vom
Leben selbst lebte, zu entdecken.
1920 erhielt Knut Hamsun "für sein monumentales Werk ´Segen der
Erde´" den Nobelpreis.