"Die Stimme des Lebens" ist die Stimme Knut Hamsuns, die uns in
dem gleichnamigen Buch vierzehn Erzählungen vorträgt. Es handelt sich
vermutlich um frühe Werke des norwegischen Autoren, zumindest zwei
Erzählungen erschienen erstmals 1903 in der Novellensammlung
"Kratskog", nähere Angaben werden in der mir vorliegenden Ausgabe
leider nicht gemacht. Der Knut Hamsun, den man in "Die Stimme des
Lebens" vorfindet, ist der Hamsun, wie man ihn kennt, nur eben auf
einen dichteren Raum gedrängt. Ein wenig dominiert das Thema der Liebe,
z.B. in der geheimnisvollen Geschichte von der Dame vom Tivoli, die in
ihrem verklärenden Mystizismus zuweilen an Werke von Edgar Allan Poe
erinnert. Auch "Geheimes Weh" trägt ähnliche, fast geisterhafte
Züge. "Auf der Blaamandsinsel" und "Alexander und
Leonarda" sind kleine Trägodien, in denen sich der jeweilige Liebhaber
der Irrationalität der Gefühle unterwirft und seine Angebetete im
Liebeswahn schließlich ermordet. Bei "Vater und Sohn" handelt es
sich um eine amüsante Geschichte, in welcher der Vater seinen
spielsüchtigen Sohn bessern möchte und dabei selbst der Sucht verfällt, in
"Frauensieg" erhält der Leser einen kurzen Einblick in das
Straßenbahnleben der 1880er Jahre in Chicago (Hamsun war selbst einmal
Straßenbahnschaffner). "Auf der Tournee" ist mein persönlicher
Favorit des Buches. In diesem Werk treten ein Antispiritist und ein junger
Literat gegeneinander an. Der erste veranstaltet im Arbeiterverein eine
ausgebuchte Vorführung wilder Tiere und Zauberkunststücke, der letztere
möchte einen literarischen Vortrag halten. Das ganze spielt sich in einer
Kleinstadt ab und ist eine hervorragende, selbstironische
Auseinandersetzung mit dem künstlerischen Idealismus und der Notwendigkeit,
sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, ohne seine Ideale zu opfern.
Die Erzählungen sind allesamt nicht von höchstem geistigen Anspruch, aber
ganz sicher gute Unterhaltung.