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Der Ring schließt sich

Knut Hamsun

"Der Ring schließt sich" ist Hamsuns letzter Roman. Er erschien 1936. Danach - sein Lebenswerk so komplettiert habend - wollte der große norwegische Dichter nur noch eines: Sterben. Dass ihm die Natur diesen billigen Gefallen so bald nicht tun wollte, wissen all jene, die sich bereits mit der Biographie des Autoren befasst haben.

Aber nun zum Roman: Sein Held ist der Nichtsnutz und Weltenbummler Abel, der in seinem norwegischen Heimatdorf nicht einfach so wie alle anderen Menschen glücklich werden kann. Er will nichts werden, ist zufrieden mit dem, was er ist und dem wenigen, was er an weltlichen Gütern besitzt. Eines aber zählt vor allem: Abel ist ein Sonderling, der sich trotz aller Widrigkeiten durch das Leben schlägt und der, wenn es sein muss, auch vor einer kleinen Dieberei nicht zurückschreckt. Ein Mann soll nicht hungernd durch die Welt schreiten, mit der Welt streiten... (O, Du dumme Welt!)

Die erste Hälfte des Buches mutet zeitweise ein wenig langweilig an. Dies liegt zum einen sicherlich daran, dass mich Hamsun, nachdem ich fast sein gesamtes Oeuvre gelesen habe, nicht mehr wirklich überraschen kann, zum anderen an dem Umstand, dass auch der beste Schriftsteller kein ereignisarmes und monotones Leben darzustellen in der Lage ist, ohne dadurch zumindest ein wenig fad zu wirken. Merke: Leben ist der Wirbel seiner Widersprüche. Aber trotzdem: "Der Ring schließt sich" ist kein schlechtes Buch und bei weitem immer noch besser als das meiste, was einem heutzutage als Literatur verkauft wird - und in der zweiten Hälfte des Buches wird es auch endlich lebendiger.

Ein zentrales Problem in "Der Ring schließt sich" ist - wie in vielen anderen Werken Hamsuns - das Thema der Heimat. Die Figur des Abel steht für den rastlosen Menschen, der seine Wurzeln verloren hat. Er wird auf der Welt umhergeweht - nach Australien, Kanada, die USA, zurück nach Norwegen und wieder in die USA und findet nimmermehr ein Heim. Für ihn ist alles austauschbar und relativ - er mutet fast wie ein Vorläufer unserer heutigen Billigflieger-Generation an. Heimatliebe hingegen ist, so Hamsun, "Stimme des Blutes. [...] In all der Unklarheit und Verständnislosigkeit, in der wir Menschen umherwandern, hat das Leben hier einen Willen und eine Absicht zum Ausdruck gebracht: das Leben selbst hat seine Heimatliebe aufgebracht, sie ist nicht erfunden". Und so führt der Dichter Beispiele aus der Natur an: Die Forelle, die zu ihren Laichplätzen in den Seen zurückkehrt, die Zugvögel, die immer dort nisten, wo sie ausgeschlüpft sind, die deportierte Kuh, die zu ihrer Wiese zurückwandert. Das alles kann kein Zufall sein.

Abel aber kann nicht nur nichts mit diesem Heimatbegriff anfangen, auch alles Geld, das ihm in die Finger gerät, hat eine rapide Tendenz, sich zu verflüchtigen. Meistens wird es verschenkt (auch Hamsun hat sich gern auf diese Weise von Münzen und Scheinen befreit). Aber wen kümmert es - und wozu braucht man Geld? Der Mensch benötigt etwas Essen, einen warmen Platz zum Schlafen, fast alles darüber hinaus ist - Luxus. Abel "besaß eine göttliche Gleichgültigkeit dafür, wie alles ging. [...] Er konnte aushalten, konnte entbehren. Er klammerte sich nicht an den oder jenen [...] und fand nicht, dass er etwas besaß, was verteidigt werden musste". Und wie sieht die Aussenwelt diesen Abel? "Dir fehlt eben der Auftrieb" - sagt ihm Olga nickend, er antwortet:

"Ihr mit euerm Auftrieb kommt ja auch nicht grade so sehr hoch hinauf. Ihr werdet nur etwas reich, etwas hochmütig und etwas beneidet, das ist alles."

Da sind wir dann in dieser Rezension auch an dem Punkt, an dem ich mich lobend über die kaum ausgeschmückten Dialoge, die dadurch fast an die Form des Dramas erinnern, äußere. Punkt. Haha.

Fehlt noch etwas? Vielleicht ein weiteres Zitat - Abel war´s, der so sprach:

"Es gilt für uns alle, viel aus dieser Welt herauszuholen, das Meistmögliche aus ihr herauszuquetschen, nach mehr auszuschauen und - dann zu sterben!". Jaja. Ist es nicht so? Und machst DU etwas anderes?

Ach, eine Notiz habe ich nun vergessen zu verarbeiten, aber sie lässt sich auch nicht mehr genau zuordnen, es muss um Abel gehen, hier steht: "Er liebt sie, so bald sie fort ist". Ist ja sicher irgendwie wichtig.

Noch ein Bruch: Bis bald!

Diese Rezension schrieb:
Arne-Wigand Baganz (2005-09-22)

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