"Landstreicher" ist der erste Teil der Landstreicher-Trilogie von
Knut Hamsun (Ersterscheinungsjahr: 1928). Seine Handlung ist hauptsächlich
in einem kleinen Fischerdorf in Norwegen, vermutlich um die 1870er Jahre,
angesiedelt. Edevart und August sind die Namen der Protagonisten; beide
Figuren darf der Leser teilweise auf den Pfaden ihres Lebens begleiten.
August, der den Spitznamen Weltumsegler trägt, ist ein rastloser Seefahrer,
der den einen Tag reich ist und am nächsten bereits wieder alles verloren
hat. In ihm zeichnet Knut Hamsun eine Art Prototyp des heimatlosen,
entwurzelten Landstreichers, der sich nie für lange Zeit an einem Ort
aufhalten kann; einen Menschen, den es immer wieder fortzieht, weil ein Ort
so gut wie der andere zu sein scheint. August verlangt es nach steter
Abwechslung, schlägt sich mal hier, mal dort durch. Irgendetwas findet sich
immer, von dem er leben, sich ernähren kann. August hat bereits
"alles" auf der Welt gesehen, berichtet den Einheimischen oft von
seinen zahlreichen Erlebnissen und, ganz, wie es sich für einen Seemann
gehört, nimmt er es mit dem Unterschied von Dichtung und Wahrheit nur
ungern zu genau.
Edevart ist der beste Freund von August, oft brechen beide zu gemeinsamen
Unternehmungen auf, dann aber wieder sehen sie sich für lange Zeit nicht.
Es ist also doch ein recht loses Verhältnis zwischen den beiden. Edevart
ist jünger als August, noch schwankt er, was er mit seinem Leben anfangen
soll - ob aus ihm auch ein ewiger Landstreicher werden wird? Eine mehr oder
minder unglückliche Liebe hält Edevart jahrelang in ihrem Bann; die
Geliebte aber ist nun in Amerika. Ausgewandert, so wie viele Norweger der
damaligen Zeit. Vorerst folgt er ihr nicht.
"Sollen wir etwa nicht dorthin gehören, wo wir hingestellt worden
sind? Denn sonst wären wir wohl nicht dorthin gestellt worden. [...]
Gehören wir am richtigsten dorthin, wo wir mehr Essen, bessere Kleider und
mehr Geld bekommen? Dann hätten unser Vater und unsere Mutter nicht ihr
Leben lang hier in der Bucht zufrieden und dankbar sein können, nein, dann
hätten sie nicht viel glücklicher sein dürfen als vielleicht August und -
ja und andere, die herumwandern und nirgends hingehören." - lässt Hamsun Edevarts Bruder, den beständigen Joakim, sagen. Hier sehen
wir auch die zentrale Aussage des Landstreicher-Romans und das Hamsunsche
Weltbild vor uns:
Knut Hamsun steht für ein einfaches, für ein bodenständiges Leben; so
schreibt er auch: Erdnah. Egal, was das Leben mit sich bringen mag, Armut,
Krankheit, Tod einem nahestehender Personen - nichts kann einen Menschen
mit fester Bodenhaftung umwerfen. Alles geht - heisst es oft bei Hamsun. Das ist eine schöne Sicherheit, die wohl in den
Weiten der Lebenserfahrung des Autoren, der so viel von der Welt gesehen
und in ihr erlebt hat, begründet liegt. Auf der anderen Seite finden wir in
Hamsuns Werken auch immer den Hinweis auf die Gefahr des Hochmuts. Oft ist
der Mensch wie ein Farn im Wind. Er lässt sich vom Schicksal hin- und
herbiegen. Wenn es ihm gut geht, will er von den schlechten Zeiten nichts
mehr wissen, er wird hoffärtig, wie z.B. die Bewohner des Fischerdorfes in
"Landstreicher", die in einem Jahr einen besonders fetten Fang
machen. Über Nacht kommt ein relativer Reichtum über sie, alles alte ist
plötzlich nicht mehr gut genug für sie. Dabei sind es doch, wie im diesem
Absatz vorangegangenen Zitat geschildert, nicht die äußeren Umstände, die
zu einem glücklicheren Leben führen.