In "Das Werk der Artamonows" (1925) befindet sich Maxim Gorki auf
feindlichem Territorium: Er schildert den Aufstieg und Niedergang einer
russischen Bourgeois-Familie, beginnend in der Zeit nach der Aufhebung der
Leibeigenschaft (die 1860er Jahre) bis zur Oktoberrevolution. Drei
Familien-Generationen sind in die Handlung des Romans verstrickt und doch
hat das Buch - vergleicht man es mit den Familienporträts von Mann und Zola
- nur einen sehr bescheidenen Umfang.
Den Aufstieg der Artamonows zu schildern, fällt Gorki nicht leicht. Es
scheint, als wolle er jegliche Euphorie beim Leser vermeiden, und so
vollziehen sich die dem Erfolg den Grund legenden Taten der Artamonows in
den ersten Jahren ganz im Verborgenen: Da ist also eine neue Textilfabrik
im Örtchen Drjomow gebaut worden, irgendwie ist sie erfolgreich, wird
größer. Es entstehen eine kleine Arbeitersiedlung, eine Kirche, ein
Krankenhaus und natürlich auch ein eigener Friedhof für die verbrauchten
Arbeiterkörper. Da es an den Verfall der Familie und der zu ihr gehörenden
Persönlichkeiten geht, wird der Roman lebendiger. Man merkt: Das,
eigentlich nur das, hat der liebe Gorki schreiben wollen. Natürlich geht es
- wie so oft bei diesem Autoren - immer ein bißchen wie im Märchen zu: "[...] die Anzahl der Fehltage stieg beträchtlich, die Leute begannen
mehr zu trinken, die Frauen bekamen kranke Kinder. Der lustige Schreiner
Serafim [...] verfertigte in einem fort kleine Särge und nagelte auch oft
aus Tannenbrettern letzte Ruhestätten für Erwachsene zusammen, die mit
ihrem Arbeitspensum fertig waren" - aber auch gerade dafür kann man Gorki mögen.
Während der materielle Reichtum der Artamonows wächst und wächst, schreitet
die seelische Degeneration der Familienmitglieder immer weiter fort. "Die Menschen arbeiteten, waren an ihre Unternehmungen festgekettet
und gaben sich ihnen nur zu dem Zweck hin, um möglichst viel Geld
zusammenzuraffen; dann aber verbrannten sie dieses Geld und warfen es in
Haufen vor die Füße liederlicher Weiber. Und das alles waren angesehene,
würdig aussehende, verheiratete Männer, die Kinder hatten und ungeheure
Fabriken leiteten". Wozu mehr und immer mehr?? - bis die Menschen irgendwann doch an Grenzen
stoßen müssen, bis sie im Sumpf ihrer Unmoral und Habgier versinken und
krepieren.
Gorki hat seinen Roman dem französischen Schriftsteller Romain Rolland
gewidmet und schrieb diesem: "Ich selbst glaube auch, daß er besser gelungen ist, als alle meine
bisherigen Versuche, schreiben zu lernen". Die Richtigkeit dieser Feststellung muss bezweifelt werden - allein
schon, wenn man "Das Werk der Artamonows" mit Gorkis
autobiographischer Trilogie oder frühen Texten wie "Der
Sturmvogel" vergleicht.