"Hart ist das Leben" (S.252), nicht nur für Toivola-Jussi, "auch -Juha oder -Janne" (S.57) genannt, der ein einfacher Bauer ist, geboren gegen 1860 im
damaligen Großherzogtum Finnland, "durchaus nicht schwachsinnig" (ebd.), dennoch von geringem Denkvermögen. In "Sterben und Auferstehen" (1919) ermöglicht es Sillanpää (1888-1964) dem Leser, Juhas Leben von der
Geburt bis zum Tode zu begleiten - als Exempel für einen Mann aus dem
Volke, der sein Schicksal tragen muss; und er trägt es. Auch wenn Sillanpää
feststellt: "Grau war die Grundfarbe des Lebens" (S.88), so ist es für Juha nicht durchweg eintönig. Der Weg, auf dem er
geht, ist schmal und bescheiden, doch liegt er in einer für Finnland so
wichtigen Epoche: Die Loslösung von der Russischen Krone, der revolutionäre
Übergang von der Monarchie zur Republik (1917), der anschließende
Bürgerkrieg, in welchem auch Juha seine Rolle spielt.
"Stirbt das Kind frühzeitig, so ist das im allgemeinen eher ein
freudiges Ereignis, ein freudigeres als seine Geburt" (S.76) ist eine der Wahrheiten des Volkes, die dem heutigen Leser ein wenig
grausam erscheinen wird, doch ist dies nur die nordische Gleichmut
gegenüber den Unvermeidlichkeiten des Lebens. Wo sie nicht ausreicht,
verspricht der Branntwein die Linderung vieler Sorgen... oder der Glaube an
überirdische Kräfte: "Auch Gott vererbt sich von Geschlecht zu Geschlecht, aber er vererbt
sich nicht durch des Lehrers Mund, sondern durch schwere Heimsuchungen in
den dunklen Tiefen des Volkslebens" (S.130).
Frühling, Sommer, Herbst und Winter - das Leben scheint jedes Jahr gleich
und alle Freuden sind kurz, in Finnland besonders auch die der warmen
Jahreszeiten. Wenn sie nicht von ihrem schweren Alltag in Anspruch genommen
werden, ziehen sich die Menschen aus der Wirklichkeit in ihre
Gedankenwelten zurück: "Der Augenblick fließt über von Harmonie; Felder und Wälder verkünden,
daß die Menschen ihre glücklichsten Jahre im Geiste verbringen" (S.182)
"Sterben und Auferstehen" beginnt ein wenig verwirrend, es konfrontiert den Leser mit einer Vielzahl
von Gestalten, die ihn nur überfordern können, da ihnen der Autor kein
wirkliches Gesicht gibt; dann aber findet alles seine Form - ist nicht
genau dies der Gang des Lebens, die Entwicklung eines neugeborenen Kindes,
für welches noch alles möglich scheint, zu einem in sich selbst erstarrten
Wesen, für das es dennoch immer und immer wieder überraschende Wendungen
gibt?
Wer den Norweger Hamsun liebt, wird auch in Sillanpää eine geistige Heimat
finden. Karger ist sie, ein wenig schwermütiger, trotz allem aber nicht
ohne ihren eigenen, ganz besonderen Humor.
Sillanpää erhielt im Jahre 1939 für "Sterben und Auferstehen" den Nobelpreis für Literatur. Er ist vor allem auch als ein politisches
Zeichen zu sehen: Im selben Jahr wurde Finnland von der Sowjetunion
überfallen und damit erneut in seiner Eigenständigkeit gefährdet.
"Im Rachen des Wolfes liebt niemand seinen Nächsten" (S.193)
Die Seitenangaben beziehen sich auf die Ausgabe:
Frans-Eemil Sillanpää, Sterben und Auferstehen, Coron-Verlag Zürich, o.J.