Wie fühlt sich ein bunter Vogel, den der graue Strom der Gleichen
ausspuckt, so oft er in ihm auch untergehen will, um nicht er selbst sein
zu müssen? Mit welchen Tricks versucht ein solcher Vogel, vor den anderen wie die anderen zu sein? Nachahmung, Tarnfarbe, Masken. Der japanische Schriftsteller Yukio
Mishima (1925–1970) zeigt in seinem größtenteils autobiographischen Roman
"Geständnis einer Maske" (jap. Kamen no Kokuhaku) den
konfliktreichen Entwicklungsgang eines Menschen von seiner Geburt bis zu
seinen frühen Zwanzigern, wobei das Wechselspiel von Entdeckung und
Verdeckung der eigenen Sexualität das zentrale Thema ausmacht. Die hier zum
Einsatz kommende Technik nennt Mishima das kritische Bekenntnis.
Der männliche Ich-Erzähler des Romans fühlt sich schon früh zu Artgenossen
gleichen Geschlechts hingezogen. In einem Bildband seines Vaters stößt er
auf ein Gemälde von Reni, das den Heiligen Sebastian (Genua, Palazzo Rosso)
darstellt. Es handelt sich um einen kaum bekleideten Märtyrer-Jüngling, der
mit den Händen über dem Kopf an einen Baum gefesselt ist. Die großen Augen
hat er hoffnungsvoll in den Himmel gerichtet, zwei Pfeile stecken in seinem
zum Tode verurteilten bleichen Leib. Dieses Bild wird dem Erzähler zur
Wichsvorlage und fixen Idee. (Später einmal wird sich Mishima in eben
dieser "Pose" fotografieren lassen).
Dann verliebt sich der Erzähler in den eigenbrötlerischen Schulkameraden
Omi, aber diese Liebe bleibt unausgesprochen und ist eines Tages schlicht
zu Ende. Die Neigungen bleiben - und der Erzähler ist sich dessen bewusst,
dass er sie nicht mit den anderen Jungen teilt. Wenn diese Jungen darüber
diskutieren, ob man sich denn ernsthaft in eine Busschaffnerin verlieben
könne, kann er nur als zynischer Außenseiter mitreden, der durch schamlose
Direktheit verblüfft und den Kenner mimt. Das ist das Spiel.
Spiel ist auch des Erzählers Geplänkel mit dem Mädel Sonoko, während sich
Japan mitten im Zweiten Weltkrieg befindet. Dumm nur für das arme Ding,
dass es sich prompt und tatsächlich verliebt und gar an Verlobung und
Heirat denkt, denn dem Burschen ist ja gar nicht danach...
Er gewinnt mehr und mehr Mut, sich dies einzugestehen. Aus einem westlich
beeinflussten Elternhaus stammend, findet er literarische Unterstützung in
den Werken von Wilde, Winckelmann, von Platen und Proust.
Mit "Geständnis einer Maske" begründete Yukio Mishima trotz
frühzeitiger Behinderung seiner schriftstellerischen Ambitionen durch den
Vater seinen literarischen Ruhm. Mishima zählte damals erst 24 Jahre.