Aktuell
© 1999-2024 by Arne-Wigand Baganz

Ukraine  Eine Reise durch die Ukraine in 113 Gedichten  Ukraine
Start > Rezensionen

Geständnis einer Maske

Yukio Mishima

Wie fühlt sich ein bunter Vogel, den der graue Strom der Gleichen ausspuckt, so oft er in ihm auch untergehen will, um nicht er selbst sein zu müssen? Mit welchen Tricks versucht ein solcher Vogel, vor den anderen wie die anderen zu sein? Nachahmung, Tarnfarbe, Masken. Der japanische Schriftsteller Yukio Mishima (1925–1970) zeigt in seinem größtenteils autobiographischen Roman "Geständnis einer Maske" (jap. Kamen no Kokuhaku) den konfliktreichen Entwicklungsgang eines Menschen von seiner Geburt bis zu seinen frühen Zwanzigern, wobei das Wechselspiel von Entdeckung und Verdeckung der eigenen Sexualität das zentrale Thema ausmacht. Die hier zum Einsatz kommende Technik nennt Mishima das kritische Bekenntnis.

Der männliche Ich-Erzähler des Romans fühlt sich schon früh zu Artgenossen gleichen Geschlechts hingezogen. In einem Bildband seines Vaters stößt er auf ein Gemälde von Reni, das den Heiligen Sebastian (Genua, Palazzo Rosso) darstellt. Es handelt sich um einen kaum bekleideten Märtyrer-Jüngling, der mit den Händen über dem Kopf an einen Baum gefesselt ist. Die großen Augen hat er hoffnungsvoll in den Himmel gerichtet, zwei Pfeile stecken in seinem zum Tode verurteilten bleichen Leib. Dieses Bild wird dem Erzähler zur Wichsvorlage und fixen Idee. (Später einmal wird sich Mishima in eben dieser "Pose" fotografieren lassen).

Dann verliebt sich der Erzähler in den eigenbrötlerischen Schulkameraden Omi, aber diese Liebe bleibt unausgesprochen und ist eines Tages schlicht zu Ende. Die Neigungen bleiben - und der Erzähler ist sich dessen bewusst, dass er sie nicht mit den anderen Jungen teilt. Wenn diese Jungen darüber diskutieren, ob man sich denn ernsthaft in eine Busschaffnerin verlieben könne, kann er nur als zynischer Außenseiter mitreden, der durch schamlose Direktheit verblüfft und den Kenner mimt. Das ist das Spiel.

Spiel ist auch des Erzählers Geplänkel mit dem Mädel Sonoko, während sich Japan mitten im Zweiten Weltkrieg befindet. Dumm nur für das arme Ding, dass es sich prompt und tatsächlich verliebt und gar an Verlobung und Heirat denkt, denn dem Burschen ist ja gar nicht danach...

Er gewinnt mehr und mehr Mut, sich dies einzugestehen. Aus einem westlich beeinflussten Elternhaus stammend, findet er literarische Unterstützung in den Werken von Wilde, Winckelmann, von Platen und Proust.

Mit "Geständnis einer Maske" begründete Yukio Mishima trotz frühzeitiger Behinderung seiner schriftstellerischen Ambitionen durch den Vater seinen literarischen Ruhm. Mishima zählte damals erst 24 Jahre.

Diese Rezension schrieb:
Arne-Wigand Baganz (2007-11-20)

Weitere Rezensionen

     » Koeppen, Wolfgang – Tauben im Gras (1951)
     » Montefiore, Simon Sebag – Stalin. Am Hof des roten Zaren (2003)
     » Nagibin, Jurij – Steh auf und wandle (1987)
     » Bloch, Ernst – Thomas Münzer als Theologe der Revolution (1921)
     » Flaubert, Gustave – Madame Bovary (1857)

Alle Rezensionen anzeigen