Alexander Sergejewitsch Puschkin, 1799 in Moskau geboren und 1837 in St.
Petersburg einem Duell zum Opfer gefallen, verfasste zwischen diesen Jahren
Poesie und Prosa, die mit der Zeit nichts verloren hat, auch wenn die
Mehrheit der hiesigen Bevölkerung den Namen Puschkin heutzutage allenfalls
mit einer Wodkamarke in Verbindung bringen wird. In Russland ist er noch
immer - ganz, wie er es sich in dem Gedicht "Dem Dichter" einst
selbst prophezeite - ein Volksheld. Auf das Warum wird in dieser Rezension
etwas später eingegangen werden.
Puschkin machte früh Bekanntschaft mit den Musen. So ist eines seiner
ersten Gedichte, nämlich das in viele Richtungen interpretierbare "Die
Rose" (Rosa), bereits 1815 entstanden und eröffnet den mir
vorliegenden Gedichtband in der Übersetzung von Kay Borowsky und Rudolf
Pollach. Zu Übersetzungen poetischer Werke liesse sich dasselbe wie immer
anmerken ... durch die zweisprachige Ausführung des Gedichtbändchens muss
der sprachgewandte Leser jedoch nichts vermissen und kann sich die
Originale noch leichter erschliessen.
Wovon hat Puschkin geschrieben, was hat seine Werke ausgezeichnet? Neben
gewöhnlichen Themenfeldern wie der Liebe, der Auseinandersetzung mit
literarischen Vorbildern, Naturbetrachtungen, Freundschaften und poetischem
Weltschmerz ist das der Freiheit des russischen Volkes das letztlich
bedeutsamste. Vor allem wegen seiner Gedichte "Freiheit" und
"Das Dorf", die sich rasch unter der russischen Bevölkerung
verbreiteten, wurde er von 1820-24 in den Süden Russlands verbannt. Es ist
schade, dass gerade diese beiden Werke nicht in der Sammlung enthalten
sind. Trotz der Verbannung gab Puschkin seine Utopien nicht auf, er
verkleidete sie nur vorsichtiger, übte sich in der Kunst der Abstraktion,
die ja doch tatsächliches literarisches Schaffen von reiner Propaganda,
möge sie auch noch so hehre Ziele verfolgen, abhebt. Metaphorische Bilder,
die hier bei Puschkin häufig zum Einsatz kamen, sind Naturgewalten wie
Stürme, das Meer oder Analogien wie reale oder fiktive Historien.
"In unserem schändlichsten Jahrhundert / ist der grauhaarige Neptun
ein Verbündeter der Erde./ In allen Elementen ist der Mensch / Tyrann,
Verräter oder Gefangener." (Aus: An Wjasemskij).
"Und der Zar tränkte mit jenem Gift / seine gehorsamen Pfeile / und
sandte mit ihnen das Verderben / gegen die Nachbarn in fremden
Ländern." (Aus: Antschar)
"Und lange werde ich dem Volke dadurch teuer sein, / dass ich meinem
grausamen Zeitalter die Freiheit gerühmt / und zur Barmherzigkeit gegenüber
den Gefallenen aufgerufen habe." (Aus: Exigi monumentum)
Der Gedichtband wird durch ein ausführliches Nachwort, zahlreiche
Literaturhinweise und die für Reclam typischen erläuternden Anmerkungen
abgerundet.
Alexander Puschkin - Gedichte
Russisch / Deutsch
160 Seiten, mit Nachwort
Reclam Universalbibliothek
ISBN 3-15-003731-X / € 4,60