Von einigem sagt man, dass es nie wieder so schön sein soll wie beim ersten
Mal. Das trifft vielleicht auf die erste große Liebe zu, die sich nie
erfüllt und welche damit in jeder Hinsicht unerreichbar bleibt, oder die
erste Million, die man sich ehrlich verdient, falls das überhaupt möglich
ist, oder auch den ersten Schuss, den man sich setzt, wenn man ihn denn
überlebt, und dergleichen – um solch eine Kategorie geht es also ungefähr
in diesem Text, wobei ich nicht vollkommen sicher bin und sein kann, ob der
erste Shitstorm wirklich da hineinfällt, weil man mehr als einen erlebt
haben müsste, um es beurteilen zu können, aber nehmen wir es für ein paar
Momente einfach als Arbeitshypothese an, damit es hier weitergehen kann.
Dass ich unzulässig verallgemeinere, muss ich in Kauf nehmen. Kunst darf
das, oder etwa nicht? Und Kunst ist es doch wohl, was hier in Buchstaben
geschrieben steht –––
So ein Shitstorm ist auf jeden Fall eine besondere, nicht ganz alltägliche
Angelegenheit, wobei es natürlich ganz darauf ankommt, warum man ihn erregt
hat: Ist er entstanden, weil man einen dummen Fehler begangen hat, oder
nur, weil man etwas geäußert hat, was vielen Leuten nicht in ihr verengtes
Weltbild passt? Handelt es sich um den zweiten Fall, hat man Glück, dann
ist der Shitstorm eine Bestätigung dessen, dass man den richtigen Nerv
getroffen hat, zumal sich ja parallel dazu auch ein warmer Goldregen über
einen ergießen kann, den jene produzieren, die einem auf der anderen Seite
emphatisch zustimmen. Es ist nahezu wunderbar, wenn man so polarisieren
kann! Man wird für ein paar flüchtige Momente zugleich geliebt und gehasst,
bevor man wieder wie der Staub auf der Erde ist.
Ein Shitstorm ist auch nicht unbedingt als schlimm einzustufen,
vorausgesetzt, er schwappt nicht in die physische Welt hinüber, und das,
selbst wenn die Leute versuchen, sich in ihrer Aufregung an Tiefschlägen,
die sie gegen einen austeilen, zu überbieten. Es ist eben eine Art
perverser Sport: Mob-Sport. Jeder darf einmal draufhauen. Das alles geht
vorüber, und wenn es einem doch zu sehr stinkt, dann hält man ein wenig die
Luft an oder macht das Internet für eine Zeit aus, man ist schließlich
nicht verpflichtet, sich alles anzutun, was gewisse, zumeist ja noch
anonyme und damit feige Leute so ablassen und womit sie einen zu verletzen
suchen. Am Ende sind sie es ja, an deren Händen noch Reste von der Scheisse
kleben, mit der sie einen treffen wollten, denn einen selbst treffen können
sie nicht, dafür fehlen ihnen die geeigneten Mittel und die richtige Übung.
In der Regel melden sie sich ja auch gar nicht direkt zur Sache, die Sache
ist nur ein Anlass, sie wühlen und suchen, um irgendetwas zu finden, das
sie einem anhängen können, vielleicht ein Detail aus der eigenen
Biographie, das sie aufgestöbert haben und für einen Schwachpunkt halten.
An einem selbst kann so etwas einfach abprallen, weil es ja lächerlich und
kein Niveau ist, auf dem man sich austauschen kann – vor allem nicht mit
wildfremden Leuten, bei denen man gar nicht weiß, wer wer ist. Der Nachbar
von nebenan, der einen sonst immer freundlich im Treppenhaus grüßt, wird es
schon nicht sein?!
Gong! Das ist die wortlaute Überleitung zum schönen, wenn auch bedauerlich kurzen
Teil dieses Textes:
Ich stelle mir eine junge Chili-Pflanze vor, wie sie ihren ersten Shitstorm
erlebt. Der Wind rüttelt etwas an ihr, ihre Blätter flattern ein wenig hin
und her und rascheln, aber am Ende des Tages wird er nur dazu führen, dass
sie einen stärkeren Stamm entwickelt, der sich von künftigen Unwettern noch
weniger irritieren lässt. So wie beim ersten Mal wird es nie wieder werden.
Sollte sie deswegen traurig sein?
Ich kann die Frage für sie, die Pflanze, und für Sie, meinen verehrten
Leser, nicht beantworten, aber es besteht in diesem Fall doch weiterhin die
Hoffnung auf kräftig gefärbte, feurig brennende Früchte!
Cheerio.