Anlässlich Thomas Bernhards 20. Todestages im Jahre 2009 hat der
Suhrkamp-Verlag ein neues Buch des Autoren veröffentlicht: "Meine
Preise". Das Manuskript hierzu lag schon lange druckfertig herum. Es
enthält verschiedene zusammengetragene Texte, in denen Thomas Bernhard
darstellt, unter welchen Umständen er einige Literaturpreise verliehen
bekam, wie er die Preisgelder recht kopflos verbriet und was er überhaupt
von ihnen hielt. Wer Bernhard kennt, weiss, dass der letztgenannte Aspekt
von ihm nicht anders als mit einem wie mit Peitschenhieben in die Breite
gegrantelten "Nicht viel" wiedergegeben werden konnte. Und da hat
er auch ganz recht. Bernhard schätzt an den Literaturpreisen vor allem die
Preisgelder, die er unter anderem dafür einsetzt, ein verrottetes Haus
anzuzahlen oder sich ein ansehnliches Modell einer englischen Automarke zu
kaufen, dass bald bei einer Spritzfahrt nach Jugoslawien einen Totalschaden
erleidet. Von daher kann Bernhard auch wenig mit dem Grillparzer-Preis
anfangen, der zwar mit einem für ihn großen Namen aber doch mit keinem
Preisgeld verbunden ist. Worauf Bernhard in seinen Ausführungen nicht zu
sprechen kommt: Vielleicht hat er aufgrund des Grillparzer-Preises ein paar
zusätzliche Bücher verkaufen können, hat es sich für ihn also doch
irgendwie ausgezahlt, wenn auch nicht direkt nachvollziehbar. Denn so sind
ja die Leser: Da setzen sich ein paar Narren zusammen, bilden ein Komitee,
das selbstgeflochtene Lorbeerkränze auf Häupter von Literaten werfen
möchte, vorzugsweise einmal jährlich, und nach irgendwelchen Regularien,
Diskussionen, Abstimmungen steht dann beispielsweise fest: Frau Herta M.
solls sein. Das wird annonciert, die Verlage werfen die Druckmaschinen an,
alle wollen plötzlich die Werke dieser Frau lesen, obwohl sie vorher kaum
jemanden interessiert haben, alle wollen mitreden können, wenn es um die
Werke dieser Frau geht, die ja den Preis bekommen hat. Die Ernennung: Eine Empfehlung für all die
Einfallslosen, die meinen, zu Weihnachten und Geburtstagen Bücher
verschenken zu müssen. Da sie nun von höherer Stelle geadelt, fällt es auch
den Lesern leichter, zu erkennen, welche Bücher lesenswert sind.
Bernhard hat den eben in Anspielung erwähnten Nobelpreis nie erhalten,
dafür aber den von ihm als sehr peinlich empfundenen kleinen
österreichischen Staatspreis, um den man sich auch noch - welch Frechheit!
- selber bewerben musste. Bernhard hat sich nicht beworben, sein Bruder war
es, der ungefragt den "Frost" einreichte. Natürlich eine
Absurdität sondergleichen: Welcher Schriftsteller würde sich schon
freiwillig von einer Jury, die keine Legitimität nachweisen kann,
beurteilen lassen. Was zählt die Pein? Das Geld zählt. Also hat Bernhard
den Preis nicht abgelehnt.
Literaturpreise, Literaturpreisverleihungen sind lächerlich, aber die
Schriftsteller können die Zuwendungen und das einhergehende Gerede meistens
gut gebrauchen, und die orientierungslosen Leser sind dankbar, dass man
ihnen erhabene Koordinatensysteme vorhält, das Denken angenehm abnimmt und
manchmal erstaunliche Luftfechtzeremonien darbietet. Und so ist es ja auch
mit Jubiläen, die gern als Ereignisse dargestellt werden, obwohl sich gar
nichts mehr ereignet: Wäre der Bernhard nicht gerade 20 Jahre tot gewesen,
wo hätte es den Anlass für Suhrkamp gegeben, aus alten Preisen und
Preisgeldern noch mal neues Geld zu schöpfen (das also ist das wirkliche Ereignis)? Natürlich bin ich als Leser dankbar für diese überraschend gekommene
Resteverwertung. Wo sonst in seinen Büchern hat sich mir Bernhard als
sentimental-naiver, reizbarer, bisweilen kleinlicher Mensch gezeigt, der -
gegen ein nicht realisierbares Humanideal gehalten - nicht mehr oder
weniger defizitär "funktioniert" hat wie die meisten von uns.
Dieses Wissen, welches die Kraft zur Relativierung birgt, wirkt beruhigend.