E.M. Cioran hat es wie jeder Philosoph und Schriftsteller nur gut mit uns
gemeint. Deswegen hat er uns nicht nur einige wenige Sätze, die alles
sagen, hinterlassen, sondern gleich etliche Bücher. Die von Cioran sind
immerhin erfreulich dünn und enthalten meist Weis- oder Gemeinheiten in
ihrer komprimiertesten Form: In der des Aphorismus. "Die verfehlte
Schöpfung" enthält aber auch drei Essays, die folgende Titel tragen:
"Der böse Demiurg", "Die neuen Götter" und
"Paläontologie" - sowie die Aphorismensammlungen
"Begegnungen mit dem Selbstmord", "Der Unbefreite" und
"Erwürgte Gedanken".
Hier als Rezensent noch einmal die Essenz aus der Essenz ziehen, fällt
schwer und erscheint obendrein unnötig, deswegen ist es wohl am
sinnvollsten, Cioran selbst sprechen zu lassen, indem ich einige Zitate aus
dem Buch anführe - Sätze, die hängen geblieben sind, die sich eingegraben
haben. Augenscheinlich ist Ciorans Hinwendung zu einigen buddhistischen
Ideen, insbesondere der Bekämpfung der Begierde und dem Erstreben der
Leere, ohne ihnen jedoch zu verfallen. Der Skeptizismus besiegt den
Skeptiker. Immer.
"Das Glück ist nicht in der Begierde, sondern in der Abwesenheit von
Begierde, genauer, in der Begeisterung für diese Abwesenheit - in ihr
möchte man sich wälzen, untergehen, verschwinden, sich ausrufen."
"Es ist das Schicksal dessen, der sich zu oft empörte, daß er nur noch
Energie für die Enttäuschung hat."
"Nur der Schriftsteller ohne Leser kann sich den Luxus leisten,
aufrichtig zu sein. Er wendet sich an niemanden, höchstens an sich
selber."
"Es gibt nur ein Zeichen, das bestätigt, daß man alles verstanden hat:
grundlos weinen."
"Was das Alter erträglich machen dürfte, ist das Vergnügen, einen nach
dem andern alle verschwinden zu sehen, die an uns geglaubt haben und die
wir nicht mehr enttäuschen können."
Oft sind Ciorans Aphorismen Gedankenaufgaben, weil man sie sich beim ersten
Lesen nicht gleich erschließen kann. Ist man ihnen auf die Schliche
gekommen, hat man ihre In-Sich-Geschlossenheit aufgebrochen, kann man sie
als Erlösung empfinden, weil sie aussprechen, was man selbst nur selten zu
denken wagt, man kann sie ablehnen, weil sie allzu absurd sind, man kann
über ihre zynische Boshaftigkeit lächeln. Das ist, was bleibt, auch wenn
uns Cioran mit größtmöglicher Klarsicht das Leben als Jammertal vorführt:
Ein Lächeln.