Manches, das wie ein Glück anfängt, endet im Unglück. Ich kann dazu ein zumindest mich selbst bewegendes Beispiel aus meinem manchmal bewegten Leben geben. Es geht um den Anbau von Chili, dem ich seit der Corona-Pandemie als Hobby nachgehe. So ein neues Hobby kann ja zuerst recht harmlos aussehen, man treibt es schließlich weiter und weiter, aber ehe man sich versieht, stößt man schließlich an die Grenzen der vorhandenen Ressourcen.
Los ging alles mit einigen wenigen Samen aus Thai-Chilis, die ich mir in einem Supermarkt gekauft hatte. Ich wollte eigentlich nur zum Spaß sehen, ob ich es schaffe, sie zum Keimen zu bringen, und wenn das gelänge, sie natürlich auch zu reproduzieren. Die Idee gefiel mir außerordentlich gut: Aus einer Chili, die ich selbst gekauft hatte, würde ich so vielleicht viele Chilis machen können. Ich erreichte mein Ziel, und die Pflanzen mehrten sich rasch. Somit kam ich an die bereits erwähnten Grenzen: Mir ging der Platz aus und ich hatte bald mehr Chilifrüchte, als wir hier selbst verspeisen konnten. Dennoch wurde ich vor ein paar Monaten noch einmal schwach, als ich eine interessante, mir neue Sorte, nämlich Flambiños, bei einem vietnamesischen Pflanzenhändler sah. Es soll, das sei nebenbei bemerkt, derzeit zwischen 3.000 und 4.000 verschiedene Chili-Sorten geben, und bei mir selbst ist es auch schon häufiger passiert, dass sich nahestehende Chilis aus Versehen kreuzten und dann unerwartet aussehende und schmeckende Früchte entstanden.
Ich suchte mir also sorgfältig eine Pflanze von diesen Flambiños aus, da ein Exemplar nur drei Euro kostete und alle bereits viele Früchte trugen. Selbst wenn mein Exemplar keine weiteren Früchte mehr entwickeln sollte, wäre es dennoch ein lohnender Kauf.
Die Verkäuferin warnte mich, nachdem ich ihr meine Münzen gereicht hatte, noch vor den Chilis, sie seien besonders scharf und ich sollte beim Essen große Vorsicht walten lassen. Diese Warnung stellte sich als ziemlich übertrieben heraus. Die Flambiños waren deutlich weniger scharf als meine geliebten Thai-Chilis, mit denen alles begann, und selbst die sind ja nur mäßig scharf, wenn man sie mit anderen Sorten vergleicht.
Zuerst entwickelten sich die Flambiños prächtig. Immer neue Früchte wuchsen in kurzer Zeit nach. So wurde diese Pflanze dem Werbeversprechen gerecht, das über sie gemacht worden ist: Sie sei schnellwachsend und ertragreich. Die feinen weißen Härchen, die sich auf ihren glänzenden Blättern befanden, übersah ich am Anfang, aber sie machten mir auch ein wenig Sorge. Es sollte nicht lange dauern, bis ich verstand, worüber ich dummerweise hinweggesehen hatte, denn schon bald hatte sich in meinem häuslichen Chili-Biotop eine echte Plage entwickelt. Auf nahezu allen Blättern aller meiner Chili-Pflanzen waren kleine weiße Punkte entstanden, und auch die noch nicht zu Früchten gereiften Blüten hatten sich seltsam verändert, sie sahen aus, als hätte sich ein feiner weißer Staub auf sie gelegt. Bald darauf fingen sie an, abzufallen. Im Internet konnte ich nachlesen, dass ich mir wohl weiße Läuse eingefangen hatte. Vielleicht war es Schicksal: Mit der letzten Sorte, die ich mir angeschafft hatte, habe ich gleichzeitig das Todesurteil über vermutlich alle anderen gesprochen. Ich war zu weit gegangen und wurde jetzt dafür bestraft.
Meinen täglichen Kampf gegen die weißen Blattläuse werde ich nicht schildern, es wäre zu ermüdend. Besonders erfolgreich war ich bisher jedenfalls nicht, auch wenn es anfangs so aussah, als hätte ich die Plage erst einmal zum Stillstand gebracht. Mittlerweile sind die Blätter einer meiner beiden Ur-Chilis, ein Chiltepin, der noch kreisrunde Früchte entwickelt, alle abgestorben. Das haben die Läuse prima hinbekommen. Dass ich die Pflanze ohnehin bald aussortieren wollte, da sie nicht besonders pflegeleicht ist und ich die runden Früchte wenig praktisch finde, hat mich kaum trösten können. Wer weiß, welche Pflanzen noch vollständig durch die Läuse geschädigt werden.
Ich habe durch diese Geschichte gelernt, was ich ohnehin schon wusste:
Alles, was das Leben schafft,
wird einst vom Tod hinweggerafft.
Oder ohne Reim mit mehr Worten anders ausgedrückt:
Was die einen aufbauen, reißen die anderen nieder, weil es sie gar zu sehr lockt, sich ohne größeren eigenen Fleiß an einen gedeckten Tisch zu setzen und an ihm ordentlich zuzulangen – und am Ende bricht der ganze Tisch zusammen und niemand hat mehr etwas zu essen.
Mit größerer Achtsamkeit und geringerer Gier wäre es nicht dazu gekommen.