Ich kannte einmal einen selbstgenügsamen Text-Produzenten, vielleicht aber kannte ich ihn auch nicht und habe ihn mir nur – beispielsweise beim Joggen – ausgedacht, um nun selbst einen Gegenstand zu haben, über den ich hier eigensüchtig schreiben kann. Da ich aber auch einige seiner Texte kene, müsste ich mir diese ebenfalls ausgedacht haben, was doch sehr unwahrscheinlich ist. Jetzt jedenfalls, da ich tiefer über ihn und sein Schreiben nachdenke, stelle ich fest, dass er doch gar nicht so selbstgenügsam ist, wie ich eingangs voreilig festgestellt habe und wie er sich selbst zu geben pflegt, denn die vielen, leider oft sehr beliebigen Texte, die er produziert, lässt er nicht etwa in der Schublade oder in einem geheimen Ordner auf seiner Festplatte stecken, obwohl man sich kaum jemanden vorstellen kann, den sie etwas angehen könnten – er veröffentlicht sie! Keine noch so geringe Idee lässt er unter den Tisch fallen. Alles wird aufgezeichnet und in die Welt geschüttet, denn eigentlich, ja eigentlich ist unser selbstgenügsamer Text-Produzent ein Genie, das den Literaturnobelpreis gleich mehrfach verdient hätte, wenn die Welt nur nach seiner persönlichen Vorstellung funktionieren würde! – aber er lebt ja nun einmal in dieser ungerechten Welt der Anderen, die ihn und sein heiliges Schaffen sträflich verkennen. “Was soll es”, sagt er sich immer wieder und pustet schon den nächsten kurzen Verbalfurz in den Äther, der ihm selbst wie Chanel Nummer 5 vorkommt. Was für ein blumiger Duft! Was für eine Süße! Was für ein Genuss!
Ich gebe zu, hier einen recht boshaften Text zu schreiben, aber ich gebe ebenso zu, den Gipfel der Boshaftigkeit noch gar nicht erreicht zu haben! Manchmal, wenn ich Texte des selbstgenügsamen Text-Produzenten lese, komme ich mir vor, als hätte ich einen Hund beim Kacken beobachtet, aber das ist ein nicht ganz passendes Bild: Ein Hund muss essen und verdauen, um scheißen zu können, er kackt nicht ohne Ende – von daher trifft es das vorherige Bild mit den stinkenden Lüftchen doch genauer.
Wie kann man diese unerträgliche Tragik auflösen? Dieser Text braucht auf jeden Fall ein immerhin versöhnliches Ende, ein glückliches jedoch scheint unmöglich. Ein Psychologe bin ich nicht, und trotzdem will ich den selbstgenügsamen Text-Produzenten verstehen, ihm vielleicht sogar helfen. Warum macht er, was er macht? Nun, weil er doch offenbar Freude daran hat – und Freude soll ein Mensch haben dürfen! Aber warum dann dieses unablässige Veröffentlichen der nichtigsten Nichtigkeiten? Weil es für ihn keine sind und wir annehmen müssen, dass er weder einen Partner, einen Freund, noch einen kackenden Hund hat, den er mit seinen Einfällen beglücken könnte. Und ich nehme auch an, wobei ich mir klar bin, hier meine Kompetenzen weit zu überschreiten, dass er schreibt, um sich selbst zu erschaffen. Seine Texte sind das Spiegelbild dessen, was er sein möchte, deswegen schaut er es auch so gern an, dabei wäre es vielleicht für ihn ratsamer, statt der Feder, der Schreibmaschine oder der Tastatur einen großen Stein als Werkzeug zu benutzen, den er in den unheilvollen Spiegel seiner Selbst schleudert, damit er in tausend Scherben zerspringt, schließlich heißt es doch, und diese Banalität kann ich Dir, lieber Leser, leider nicht ersparen, dass das Glück in (den) Scherben liegt – oder so ähnlich. Na, wie auch immer. Alles wird sich finden und ich danke Dir, dass ich Dir mit meinem Text etwas Zeit stehlen konnte. Darum geht es schließlich: Zeitdiebstahl, denn Schriftsteller sind in erster Linie Zeitdiebe. Einige sind sehr erfolgreich in dieser Profession, die meisten bestehlen nur sich selbst.