Ich fange mittendrin an, eigentlich am Anfang: In den 1990ern standen Deine
Bücher dann auch bei uns in der mecklenburgischen Kleinstadt im “großen”
Bücherladen, der immerhin zwei Räume hatte. Nicht viele Bücher, vielleicht
zwei oder drei, was in Relation dann doch viel war. Ich kann mich nicht
genau an die Titel erinnern, möglicherweise waren es “Frost”, “Holzfällen”
und “Auslöschung”, aber diese Bücher, obwohl ich sie damals nicht gelesen
habe, hinterließen bei mir schon einen zwar diffusen aber dennoch
bleibenden Eindruck. Ich habe mir damals ihre Aufmachung angeschaut, den
Rückentext und ein bißchen quer durch die Seiten gelesen. Eine dunkle
Faszination ging von diesen Werken aus. Es war wie ein Blick in eine Welt,
die auf mich warten würde, bis ich eines Tages für sie bereit wäre, wie ein
Wegweiser, der weit über den intellektuellen Horizont meiner Geburtsstadt
hinauszeigte, eine literarische Stimme, die in dieser meiner früheren
Lebenswelt aufgrund der jahrzehntelangen systemischen Abschottung noch
gänzlich unbekannt war. Damals als junger Teenager war für mich die Zeit
noch nicht gekommen, Deine Bücher auch zu lesen.
Was ist das besondere am Werk Thomas Bernhards? Es ist seine scharfe
Radikalität, der Ekel vor der im Nationalsozialismus verbrachten Kindheit,
der Abscheu, die gesellschaftliche Kontinuität nach dem Krieg im Wesen und
Treiben der Leute mitzuerleben, der Trotz, ein gesundheitlich bereits früh
verpfuschtes Leben leben zu müssen. Der durch Thomas Bernhards
Lungenkrankheit verursachten Atemlosigkeit steht eine Atemlosigkeit im
Gebrauch der Wörter entgegen: Der Körper mag ihn immer wieder im Stich
lassen, die Wörter hören nicht auf, Zeile um Zeile, Seite um Seite ohne
Pausen und Absätze vom Papier Besitz zu ergreifen, Werk für Werk. Ein Leben
im Angesicht des Todes, dem sich der Wille zum Wort entgegengestellt hat,
ein gewaltiges Aufbäumen, das sich selbst Zeugnis ablegte und darin für uns
Lesende fortlebt.