Der Busfahrer, der uns 20 Minuten hinter dem Fahrplan durch Rügen fährt,
hat nicht die beste Laune. Er ist grummelig, fährt die Kurven scharf. Der
behäbige Bus wankt und quält sich durch die Straßen. Im vorderen
Eingangsbereich steht noch ein Körbchen mit Schnaps-Miniaturen, das
unberührt bleibt, aber jeden Einsteigenden freundlich anlacht. Wir sind auf
einer Schienenersatzfahrt, ansonsten fährt der Mann am Steuer wohl
lustigere Touren als die letzten Heimkehrer des Tages nach Berlin,
vielleicht trinkselige Rentner, die etwas Ostseeluft schnuppern wollen. Als
wir Sassnitz erreichen, öffnet der Busfahrer plötzlich das Mikrofon und
hebt zu einer Touristenführer-Ansage an: Dort ist der Hafen von Sassnitz,
und hier liegen die Rohre für die russische Erdgasleitung Nordstream 2. Er
erwähnt den Bürgermeister, der “Druck” von den Amerikanern bekäme, nennt
den Namen Trump. Das Thema bewegt ihn, er ist empört. Nach der Ansage
verstummt er wieder und sagt die ganze weitere Fahrt bis Stralsund kein
Wort - bis auf die Ankündigung, dass wir den Anschlusszug verpassen werden,
aber mit dem nächsten noch nach Berlin kämen, wenn es keine weiteren
Verspätungen gäbe.
Wir fahren an einer Unmenge von Rohren vorbei. Das sind sie also, die
letzten Teile der teuflischen Pipeline, die hoffentlich nie fertiggestellt
wird. Nordstream 2 ist vor allem auch ein geopolitisches Projekt der
russischen Regierung: Es schwächt die Ukraine, weil sie selbst nicht mehr
vom Gastransit profitieren kann und sie wird zudem noch anfälliger für die
russischen Imperialgelüste, die wir in Deutschland mitfinanzieren. Es
wundert nicht, dass sich unsere östlichen Partner westlich von Russland
darüber empören.
Es ist seltsam, an dieser Unmenge Rohre vorbeizufahren, die nach dem Willen
der russischen Regierung alle noch unter dem Meeresspiegel verlegt werden
sollen. Für mich sind es die Rohre des Bösen, erstmals sichtbar. Es ist
doch immer noch etwas anderes, wenn man Dinge sehen kann, als nur von ihnen
zu hören.