Aktuell
© 1999-2024 by Arne-Wigand Baganz

Ukraine  Eine Reise durch die Ukraine in 113 Gedichten  Ukraine

Ideologischer Symbolismus - Gendern als Sprachmaoismus

Start > Artikel > 2021

Goethe-Schiller-Denkmal (Weimar, 2016)

Ein Gespenst geht um in Deutschland — das Gespenst der Sprachgenderer. Sie sind angetreten, um ein von ihnen erfundenes Problem mit ungenügenden bis lächerlichen Mitteln zum Schaden der Kommunikationskraft unserer Sprache zu lösen. Um welches “Problem” geht es? Sprachgenderer behaupten, dass das sogenannte generische Maskulinum Frauen und sich selbst als divers einordnende Menschen ausschließen, also nicht mitmeinen würde (“Ich gehe zum Bäcker/Friseur” wäre gleichbedeutend mit “Ich gehe zum männlichen Bäcker/Friseur”). Das Zauberwort der Sprachgenderer, mit dem sie das “patriarchalisch verseuchte” Deutschland erlösen wollen, heißt “Inklusion”; deswegen haben sie die “inklusive Sprache” erfunden, deren Erkennungszeichen die Verlängerung von Personen bezeichnenden Substantiven durch verschiedenerlei, oft uneinheitlich gebrauchte Suffixe wie “Innen”, “:*innen” usw. ist. Häufig weiß diese “inklusive Sprache” allerdings auch durch falsch gebrauchte Partizipien (Radfahrende, wie in “die tote Radfahrende” oder Mitarbeitende, wie in “die abwesende Mitarbeitende”) und insgesamt oft irrwitzige Konstruktionen (“BürgerInnenmeisterInnenkandidatInnen“) zu brillieren, die einen den Glauben an die Geisteskraft vieler Menschen verlieren lassen können. Durch dieses ideologisch begründete Neusprech werden Texte länger, schwerer verständlich, sie werden kaum aussprechbar — eifrige Jünger der Genderideologie haben bereits eine Art Kunststotterdeutsch erfunden, das sie in Funk und Fernsehen — meist auf Kosten des Steuerzahlers — zelebrieren. Es gibt inzwischen sogar Software, die Sprachgenderern hilft, den natürlichen Fluss und Bau der Sprache zu zerstören, um diese durch künstliche Vorschläge “inklusiv” zu machen. Andererseits gibt es allerdings auch Software, die Texte wieder von diesen Wurmfortsätzen und Verunstaltungen befreien kann. Man sieht, um was für ein irrsinniges Treiben es sich beim Gendern handelt. Haben wir denn keine anderen Probleme?

Man könnte über das ganze Phänomen lachen, wenn es nicht so aufdringlich und zu einer regelrechten Belästigung geworden wäre. Überall greift diese Gendermode um sich, ob im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, in Behörden, Universitäten, Tageszeitungen; selbst private Firmen springen jetzt auf den Zug auf. Nach Greenwashing und Socialwashing (á la Amazon-Smile-Programm, bei dem ein paar wenige Cent der Umsätze an gemeinnützige Organisationen fließen können), gibt es jetzt also auch Genderwashing. Das ist billig, bei geschriebenen Texten durch Software halbwegs automatisierbar und kongruent zur aktuellen Gutmenschen-Mode. Es kostet uns nur unsere Sprache.

Wann gendern sie eigentlich Goethe oder Schiller, damit man die beiden im 21. Jahrhundert noch lesen darf?

Wenn Du Deinen Text genderst, bist Du vielleicht ein Überzeugungstäter, vielleicht nur ein Mitläufer oder auch ein Gefangener einer unterdrückerischen Struktur, die Dich zum Neusprech zwingt. Auf jeden Fall verminderst Du dadurch seine Aussagekraft, weil Du einen kindischen ideologischen Symbolismus — und nichts anderes ist dieser “inklusive” Sprachmaoismus — über die Inhalte, die Du eigentlich transportieren wolltest, stellst.

Bei Behörden wundert es nicht, dass sie Gefallen am Gendern haben, verfassen sie doch der Tradition nach selten Texte, die Bürger gern oder überhaupt lesen. Ein gegenderter Text wirkt abstoßend und hat quasi einen Leseschutz. Das gibt seinem Verfasser wertvolle Freiheiten, bei gleichbleibender Entlohnung die sprachliche Leistung beim Schreiben unbemerkt und ungestraft zu reduzieren:

Es liest ja sowieso keiner. Oder bewusst polemisch und noch prägnanter ausgedrückt: Es sind Texte für die Tonne.

Es ist meine persönliche Entscheidung: Wenn ich es mir erlauben kann, höre ich beim ersten gegenderten Wort auf, einen Text zu lesen. Wenn ich durch Sprachregelungen in einer Organisation gezwungen werden sollte, selber zu “gendern”, dann möchte ich mich weigern, dies zu tun. Bevor ich meine Muttersprache geschlechtere / sexualisiere / verhunze: Wir können die Kommunikation dann auch gern auf Englisch fortführen, wenn Euch das lieber ist. Es lebe die Inklusion!

Sprachgenderer spalten nicht nur Wörter, sie spalten letztlich die Gesellschaft und sorgen für ihre weitere Radikalisierung, indem sich immer mehr Menschen immer entfremdeter fühlen: Jetzt wird einem von Sprachmaoisten also sogar diktiert, wie man sich auszudrücken hat: Komplizierter, umständlicher und in vielen Fällen — wie oben bereits in Beispielen angedeutet — einfach fürchterlich falsch. Das ist ein unhaltbarer, unerträglicher Zustand, der einen als jemand, der seine Sprache liebt, in den Kampf gegen eben diesen Sprachmaoismus zwingt.

Es ist leidig, dass ich es überhaupt sagen muss, aber ich lasse mir nicht einreden, dass ich deswegen ein schlechter Mensch und gegen Gleichberechtigung usw. usf. sei.

Ich wiederhole, was ich anfangs gesagt habe:

Das Problem, das Genderer mit der deutschen Sprache haben, ist von ihnen selbst erfunden, die von ihnen praktizierte “Lösung” ungenügend bis lächerlich. Ich kann nur hoffen, dass sich möglichst viele Menschen dagegen wehren, damit dieses Gespenst sehr bald wieder verschwindet.

Veröffentlicht am 30.01.2021

© 2021 by Arne-Wigand Baganz

Aufrufe: 369

Ihre Bewertung dieses Textes:


Vorheriger Text:
Zersplitternde Gewissheiten
Nächster Text:
Die goldene Feder