Sokrates: Gehst Du etwa in die Küche, um zu schauen, was sie dort verrichten, o Alkibiades?
Alkibiades: Allerdings.
Sokrates: Aber warum machst Du dabei ein so finsteres Gesicht, wo Du doch den reizenden Düften frisch zubereiteter Speisen nachgehst? Plagen Dich etwa schwere Gedanken?
Alkibiades: Ach, was soll sich einer wie ich schon denken, o Sokrates?
Sokrates: Nicht doch, Alkibiades. Ich kenne Dich. Du bist ein gescheiter Kerl. Vertraue mir an: Was bedrückt Dich?
Alkibiades: Du kennst mich fürwahr, o Sokrates. Also höre, was mich umtreibt. Vieles haben wir gemeinsam schon durchgenommen, haben gesprochen von Menschen und Göttern, Göttern und Menschen, Wissen, Tugend, Schönheit, all diesen großen Themen, die mich auch nachts in meinen gewaltig schäumenden Träumen nicht loslassen – aber an den alltäglichen Dingen huschen unsere Gedanken vorbei, als würden sie diese gar nicht wahrnehmen, als wären sie nicht einmal blasse Schatten.
Sokrates: Was meinst Du? Welche Alltäglichkeit wäre denn wert, von uns besprochen zu werden?
Alkibiades: Kommst Du denn nicht von selbst darauf? Ich meine die Kochkunst.
Sokrates: Die Kochkunst? Was soll daran sein? Ist sie nicht lediglich eine Trias aus Zerkleinern, Vermengen und Erhitzen: Angenehm, wenn sie angenehm gemacht wird, süß, wenn sie süß ist, und bitter, wenn sie bitter ist. Aber dürfen wir Kunst nennen, was scheinbar aus so wenigen Operationen besteht?
Alkibiades: Bei den Göttern, Sokrates, wie gut und einfach Du immer zu mir sprichst. Es wird so sein, wie Du sagst.
Alkibiades geht mit fröhlichem Gesicht und raschen Schritten ab in die Küche.