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Ukraine  Eine Reise durch die Ukraine in 113 Gedichten  Ukraine

Am Anfang war der Vorname

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Ich schreibe, seitdem ich schreiben kann; anfangs beschränkte ich mich dabei auf meinen Vornamen, später wurde ich geschwätziger. Wohin das geführt hat, kann man heute sehen ...

Mit dem Vornamen also fing es an, schon damals im Kindergarten. Ein Kind versteht ja nicht immer, warum die Erwachsenen die Welt so eingerichtet haben, wie sie ist und vor allem, warum sie gewisse Privilegien genießen und den Kindern vorenthalten. Vieles macht wenig Sinn und kann deswegen auch gar nicht zufriedenstellend erklärt werden.

Ich hatte jedenfalls früh begriffen, dass Schreiben und Lesen wichtige Kulturtechniken waren, nur konnte ich nicht erkennen, aus welchem Grund ich noch warten sollte, sie zu erlernen, deswegen setzte ich einer Erzieherin im Kindergarten irgendwann solange zu, bis sie mir endlich beibringen wollte, die vier Buchstaben meines Vornamens zu malen, bitte, bitte, nur diese vier Buchstaben. Warum? Weil ich es wollte!

Mit etwas Mühe lernte ich also – wie vermutlich viele andere Kinder – noch vor der Schule meinen Vornamen zu Papier zu bringen. A und E bereiteten mir keine erinnerbaren Schwierigkeiten, aber das R war doch schon eine andere Liga, glücklicherweise kann man es ja auch einfach als rechten Winkel, dessen Nase oben nach rechts zeigt, darstellen. Als gleichfalls heikel entpuppte sich das N: Irgendwie wollte ich es immer lieber von oben anfangen zu zeichnen, aber dann misslang es und sah am Ende wie ein russisches I aus, was ich damals freilich noch nicht wusste. Richtig oder falsch – mir gefiel das N so oder so.

Zu Hause zeigte ich meinen Zettel mit dem Vornamen darauf, und dass ich ihn sogar immer wieder zu kopieren wusste. Meine Mutter nahm es zur Kenntnis, vielleicht dachte sie sich, dass der Junge schon noch früh genug das Schreiben lernen muss; ich aber war unheimlich stolz auf meinen ersten bescheidenen Schritt in die großartige Schriftwelt.

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