Die Wissenschaft kann vieles so genau und plausibel erklären wie sie will,
und selbst wenn man einiges davon nachvollziehen und sogar verstehen kann,
bleiben bestimmte Prozesse einfach im Bereich des Wunderhaften, weil wir
sie doch immer wieder nur mit unseren stumpfen Sinnen wahrnehmen und
versuchen, uns einen Reim darauf zu machen. Ich denke zum Beispiel an die
Entwicklung, das Wachstum von Pflanzen:
Da ist am Anfang nur ein kleiner Sonnenblumenkern – aber unter den
geeigneten Bedingungen wird daraus eine mächtige Pflanze, die ihren
imposanten Blütenkopf mit der Sonne wandern lässt und – natürlich
sortenabhängig – weit höher als zwei Meter wachsen kann; oder nehmen wir
die noch kleineren Chili-Samen, die zwei, drei Wochen bei Temperaturen
deutlich über 20 Grad keimen müssen, damit aus ihnen wieder Pflanzen
werden, die (mit etwas Glück) irgendwann selbst Chili-Schoten tragen,
welche neue Samen enthalten. Weil die Natur so – quasi rekursiv –
funktioniert, können wir von der auf dem Markt gekauften Chili-Schote auf
die Pflanze zurückschließen, an der sie wuchs, indem wir Samen aus ihr
erneut anpflanzen. Die Natur schert sich schließlich nicht um geistiges
Eigentum, macht aus Kindern wieder Väter und Mütter, die sich ähneln.
Als Grundschüler habe ich einmal aus einer Zitrone, die bei uns damals
Mangelware war, ein kleines Zitronenpflänzchen gezüchtet, indem ich einfach
einen ihrer Kerne in einen mit Erde gefüllten Blumentopf steckte und diesen
auf das Fensterbrett in der Küche, unter dem ein brachialer Heizkörper im
Winter seine Arbeit tat, stellte. Ich war erstaunt, dass mein kindlicher
Plan nach einiger Zeit aufging und erinnere mich auch noch Jahrzehnte
später an die feinen, glatten frisch-grünen, fast seidigen ersten Blätter,
die austrieben und die ich immer wieder voller Bewunderung befühlte.
Ich schlage einen eventuell überraschenden und nicht vollkommen ernst
gemeinten Bogen in philosophische Gefilde:
Vielleicht ist Platons Ideenlehre einfach nur vom Werdegang der Pflanzen
inspiriert, denn einen Pflanzensamen kann man ja auch als das Abbild einer
allgemeinen Idee, die für eine bestimmte Pflanzenart steht und die
irgendwie in ihm steckt, auffassen; der Same selbst ist eine Idee, die noch
nicht entwickelt wurde, die sich nicht entfaltet hat, die sich erst
realisieren muss. Der Same ist somit der abstrakte (irgendwie aber doch
schon eher konkrete) “Begriff” einer Pflanze ... na, oder so ähnlich. Auf
jeden Fall ist es doch wie folgt:
Alles kommt irgendwoher, alles geht irgendwohin.