Es ist ein im Prinzip tragisches Schauspiel, das sich immer wiederholen
kann:
Eine kritische Bewegung, die vielleicht einmal emanzipatorische Ziele
verfolgte oder einfach nur für einen gewissen sozialen Fortschritt eintrat,
der dazu führen sollte, dass es bestimmten noch benachteiligten oder sogar
einer größeren Zahl an Menschen besser geht, wird von einer negativen zu
einer positiven Kraft, weil sie die Endstation ihres Marsches erreicht hat
und sich plötzlich selbst zu einer bestimmenden Macht geworden sieht. An
diesem Punkt könnte sie sich auflösen, würde dadurch aber vielleicht ihre
Errungenschaften noch gefährden. Wenn sie sich nicht auflöst, so müsste sie
sich doch umorganisieren und den geänderten Realitäten und
Kräfteverhältnissen anpassen, nach neuen sinnvollen Aufgaben suchen. “Was
ich habe, das gebe ich nicht wieder her” ist nun aber eine Einstellung, die
wohl besonders auf die Macht zutrifft. Wo eine Bewegung, als sie noch ein
äußeres Ziel hatte, vor allem für andere eintrat, tritt sie, nachdem sie
siegreich geworden ist, nur zu gern für sich selbst ein: Aus dem äußeren
Ziel ist ein inneres geworden, ins Zentrum gerückt steht dann plötzlich der
Erhalt und Ausbau der eigenen Strukturen und Macht, die Sicherung von
möglichst vielen Ressourcen, was letztlich wieder auf Kosten der
Gesellschaft gehen kann. Die Bewegung hat schließlich ihre historische
Mission erfüllt – war sie früher progressiv, so sitzt sie den Menschen
jetzt selbst im Nacken, bereichert sich an ihnen oder drückt sie sogar
nieder, im schlimmsten Fall erfindet sie neue Ungerechtigkeiten, um
vorgeben zu können, weiterhin gebraucht zu werden, weil nur sie dagegen zu
kämpfen weiß. Heraklit meinte: “Nichts ist so beständig wie der Wandel” –
mir scheint, dass auch deswegen das Gute nicht immer gut sein kann.