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Das Gute ist nicht immer gut

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Es ist ein im Prinzip tragisches Schauspiel, das sich immer wiederholen kann:
Eine kritische Bewegung, die vielleicht einmal emanzipatorische Ziele verfolgte oder einfach nur für einen gewissen sozialen Fortschritt eintrat, der dazu führen sollte, dass es bestimmten noch benachteiligten oder sogar einer größeren Zahl an Menschen besser geht, wird von einer negativen zu einer positiven Kraft, weil sie die Endstation ihres Marsches erreicht hat und sich plötzlich selbst zu einer bestimmenden Macht geworden sieht. An diesem Punkt könnte sie sich auflösen, würde dadurch aber vielleicht ihre Errungenschaften noch gefährden. Wenn sie sich nicht auflöst, so müsste sie sich doch umorganisieren und den geänderten Realitäten und Kräfteverhältnissen anpassen, nach neuen sinnvollen Aufgaben suchen. “Was ich habe, das gebe ich nicht wieder her” ist nun aber eine Einstellung, die wohl besonders auf die Macht zutrifft. Wo eine Bewegung, als sie noch ein äußeres Ziel hatte, vor allem für andere eintrat, tritt sie, nachdem sie siegreich geworden ist, nur zu gern für sich selbst ein: Aus dem äußeren Ziel ist ein inneres geworden, ins Zentrum gerückt steht dann plötzlich der Erhalt und Ausbau der eigenen Strukturen und Macht, die Sicherung von möglichst vielen Ressourcen, was letztlich wieder auf Kosten der Gesellschaft gehen kann. Die Bewegung hat schließlich ihre historische Mission erfüllt – war sie früher progressiv, so sitzt sie den Menschen jetzt selbst im Nacken, bereichert sich an ihnen oder drückt sie sogar nieder, im schlimmsten Fall erfindet sie neue Ungerechtigkeiten, um vorgeben zu können, weiterhin gebraucht zu werden, weil nur sie dagegen zu kämpfen weiß. Heraklit meinte: “Nichts ist so beständig wie der Wandel” – mir scheint, dass auch deswegen das Gute nicht immer gut sein kann.

Veröffentlicht am 25.06.2021

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