Halle-Neustadt im Winter 1975, fotografiert vom Münchner Thomas Hoepker:
Vier wuchtige 19-stöckige Betonblöcke füllen fast das ganze
Schwarz-Weiß-Bild. Die Herrschaft des rechten Winkels in Serienbauten:
Sozialistischer Modernismus, kommunistische Einheitsarchitektur.
Winter-Kälte, Beton-Kälte, Herzenskälte. Die Blöcke könnten genauso gut /
schlecht in Sibirien stehen. Rechts oben auf dem Bild bleibt ein kleines
Stück akkurat gezackter Himmel übrig, unten eine schneeweiße Straßenflucht.
Ein hoher düsterer Laternenpfahl, der seine Lampe außerhalb des
Bildausschnittes versteckt, zieht sich wie durch ein stumpfes Skalpell
gezeichnet vertikal durch die fein komponierte Fotografie, links davon im
Vordergrund ein Schaukasten mit einem Propagandaplakat, das nichts als den
dunkel bebrillten Staatsratsvorsitzenden, Verwalter des Unrechtsstaates von
sowjetischen Gnaden, lächelnd zeigt.
Echte Menschen sind auf dem Bild ebensowenig wie Bäume zu sehen. Kein
Anzeichen von Leben also – dafür viele Zeichen planmäßiger und erdrückender
staatlicher Allgewalt. Wir schauen auf ein Sinnbild dieser sogenannten DDR
– die, wie die Bild-Zeitung einst richtig titelte, weder deutsch noch
demokratisch noch eine Republik war.
Hoepkers Bild hat die fürchterliche Essenz von Halle-Neustadt eingefangen,
zeigt die sozialistische Utopie als real-existierende Kakotopie, schlechten
Ort: menschenleer, seelenlos, verdammt.
Planstadt Halle-Neustadt, auch bekannt als HaNeu – wie Hanoi.
Halle (Saale) – Hölle (Saale).
Was Hoepkers Foto beweist? Die Hölle ist nicht immer heiß.