Durch ihre Schönheit und selbstverständlich auch etwas Glück war Nico alias
Christa Päffgen (1938-1988) zu einem berühmten Model geworden, sie
versuchte sich zudem als Schauspielerin in einigen Filmen, erlernte die
Grundlagen des Handwerks zusammen mit Marilyn Monroe und war das blonde
Tambourin-Püppchen mit der schauerlich tiefen Stimme bei “The Velvet
Underground”. Nicos Äußeres hat ihr weltlichen, wenn man so will:
äußerlichen Erfolg eingebracht. Die Menschen waren von Nicos Augen, ihren
Lippen, ihren straffen Gesichtszügen, ihrem makellosen Körpergewicht, ihren
kühlen Posen und nibelungenhaften Bewegungen fasziniert. Sie bewunderten,
begehrten und fürchteten sie. Sahen die Menschen auch einen Menschen in
ihr, oder war sie ihnen nur ein hübscher Gegenstand, den man wahlweise zur
Bewerbung eines alkoholischen Getränkes oder einer experimentellen
Rockformation benutzen konnte - und der sich freilich auch dazu benutzen
ließ?
Schönheit kann ein Fluch sein. Das hat Nico vielleicht das erste Mal
erfahren, als sie als junger Teenager von einem amerikanischen Soldaten im
Nachkriegsdeutschland vergewaltigt wurde. Später war Nico ein Star, hatte
erreicht, wovon viele Mädchen nur träumen können - und führte dann doch
eine persönliche “große Kehre” herbei, indem sie sich gehen ließ. Die
bewusste Begrüßung des körperlichen Verfalls, der Aufschwemmung des
Gesichtes, des Einfalls der Wangen, des Verfaulens der Zähne durch den
jahrelangen Konsum von Tabak, Alkohol, Heroin und anderen Drogen, das
tiefschwarze Färben der blonden Haare - das war doch nichts anderes als
eine selbst herbeigeführte Neugeburt. Eine Neugeburt - zwar im Zeichen des
Todes, aber eine Neugeburt.
Sie sei sehr wählerisch mit ihrem Publikum, sagte die späte Nico einmal
einem dadurch verblüfften Reporter, müsse niemandem gefallen. Optisch hatte
sie sich von ihrem früheren Ich abgespalten, und trug es dennoch weiter in
sich. Wie konnte es anders sein? Auch die Leute sahen weiterhin das in ihr,
was sie einmal war; in Interviews wurde sie immer und immer wieder zu ihrer
Zeit bei “The Velvet Underground” und im Kreise Andy Warhols befragt.
War der optische Wandel für Nico also tatsächlich eine Befreiung? Das wird
nur sie selber gewusst haben.
Vielleicht war auch einfach nur dieses ”Manchmal muss man sterben, um zu leben.” ihre unbewusste Maxime geworden, der sie nachgegangen ist, bis sie eines
Tages auf Ibiza in der nachmittäglichen Hitze von ihrem Fahrrad fiel und
verstarb.