Wenn man es darauf anlegt, kann man jedes Wort - selbst harmlos
erscheinende wie “Sonnenschein” - zu einem Problem machen und fordern, dass
es aus irgendwelchen locker erfundenen Sensibilitätsgründen durch ein
anderes, angeblich harmloseres ersetzt werden muss, bis ein anderer Mensch
daherkommt, der auch das Ersatzwort irgendwie problematisch findet usw.
usf.. Alles selbstverständlich vollkommen undemokratisch und undialogisch,
nur von individuellen Befindlichkeiten oder Eingebungen getrieben.
Schwierig wird es, wenn das ursprünglich problematisierte Wort durch ein
bereits existierendes ersetzt werden soll, das eigentlich nicht synonym
verwendet werden kann. In diesem Fall muss man auch für das Ersatzwort ein
Ersatzwort wählen. Schnell haben wir eine Kettenreaktion, die irgendwann
zur Umwortung aller Worte führt. Nietzsche würde gewiss vor Freude weinen.
Heutzutage ist kein Vorschlag zu schräg, als dass er bei einem gewissen
Klientel nicht auf fruchtbaren Boden fallen würde. Eine
Sprachungerechtigkeit in der sozialen Dimension soll ja beispielsweise
sein, dass durch die negative Konnotation von “Nehmen” und die positive von
“Geben” die realen Verhältnisse in der Sprache umgekehrt werden, wenn es um
Arbeitgeber und -nehmer geht, denn der Arbeitnehmer ist ja a) der Gute, der
eigentlich seine Arbeit weggibt während b) der Böse die Arbeit vom Guten
nimmt. Daher müssten die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer unbedingt
miteinander vertauscht werden.
Na gut, lasst uns diese beiden bisher offenbar von allen immer falsch
verwendeten Begriffe miteinander vertauschen. Es wird zu einiger Verwirrung
führen, aber inzwischen - nach so viel bereits praktiziertem
Sprachaktivismus - sind wir ja ausreichend leiderprobt und manche wollen
auch partout nicht mehr kommunizieren, ohne dass sie sich dabei wie Jesus
ein Kreuz auf den Rücken werfen, um damit bergan gen Golgatha zu ziehen.
Wir werden auch diese Veränderung um jeden Preis mit einem lautstarken
Hosianna, das auf empathischen Schwingen aus dem tiefsten Herzensgrund
kommt, begrüßen. Sprache ändert sich eben - und den exklusiv forcierten
Sprachwandel kann man einfach nicht aufhalten, auch wenn schnell
verteufelte Mahner manchmal noch das Gegenteil behaupten.
Die Begriffe Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben wir also gegeneinander
ausgetauscht. Was weiter? Da der Böse nun durch ein böses Wort
(Arbeitnehmer) und der Gute durch ein gutes Wort (Arbeitgeber) bezeichnet
wird, ist die Welt ja schon irgendwie gerechter geworden, oder etwa nicht?
Schließlich haben ja Worte, sofern man Anhänger des linguistischen
Determinismus ist, Zauberkräfte und können die Wirklichkeit verändern.
Man muss nur ganz ganz fest daran glauben.
Ok, jetzt bin ich aber wirklich mal ehrlich:
Mir fehlt dieser ganz ganz feste Glaube und ich drücke es bewusst vulgär
aus, ohne an gewisse alte Römer heranzureichen:
Worte sind nur Huren, die von meinen Gedanken benutzt werden, um als von
anderen wahrnehmbar in der Welt zu erscheinen. Sie versuchen sicherlich,
einen guten Job zu machen, aber letztlich ist es doch bloß Sex ohne Liebe.
Vielen Dank fürs Lesen!