Vor etwa 18 Jahren, im August 2004, erschien mit “10 EUROpäer” in Berlin und Charkiw eine deutsch-ukrainische Gedichtanthologie im
PDF-Format, an der sich jeweils fünf ukrainische und fünf deutsche Dichter
mit Gedichten beteiligten, die in beiden Sprachen abgedruckt wurden.
Initiatoren der Anthologie waren der Ukrainer Saschko Uschkalow und der Autor dieses kleinen Beitrags. Die in der Veröffentlichung
enthaltenen Dichter sind der alphabetischen Reihe nach Tetiana Deriuha,
Oleh Kozarew, Rostyslaw Melnykiw, Saschko Uschkalow und Serhij Zhadan aus
der Ukraine sowie Arne-Wigand Baganz, Tom de Toys, Daniela Harnack, Oliver Martin
Ligneth-Dahm und Mario Osterland aus Deutschland.
10 junge EUROpäer
Thematisch gab es bei der Anthologie keine Vorgaben: Wir waren einfach nur
10 junge Europäer, die Gedichte schrieben und diese einem Publikum in
beiden Ländern, der Ukraine und Deutschland, zugänglich machen wollten.
Mir selbst hat vor allem das Gedicht von Rostyslaw Melnykiw über die Steppe, bzw. wie er beschreibt, dass er eines Tages über die
ukrainische Steppe schreiben möchte, gefallen. Allein deswegen lohnt sich
bereits das kostenlose Herunterladen der Anthologie (s. Link am Ende des
Beitrags).
Der Titel der Anthologie ist durch das großgeschriebene “EURO” in
“EUROpäer” ein augenzwinkernder Hinweis auf den Euro, Europa, die Europäische Union, zu der auch die Ukraine eines Tages gehören wird. Das ist ein frühes
Zeichen, zwar anekdotisch, aber gegeben noch vor der Orangenen Revolution, die erst im Herbst 2004 begann und sich bis in das Jahr 2005 zog, ein
zarter Beleg für das Alter des europäischen Traums in der Ukraine, der
nicht erst ab Ende 2013 beim EuroMaidan geträumt wurde.
Die Gleichzeitigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft
Für mich bedeuteten diese Gedichte und die Arbeit an der Anthologie den
ersten intensiveren Kontakt mit der Ukraine; ab 2005, also ein Jahr später,
reiste ich dann regelmäßig dorthin. Ich wusste wenig von dem Land und war
deswegen dankbar für diese primäre literarische Vermittlung. So, wie auf
dem Land selbst damals noch große Stücke des muffigen Sowjetschleiers
lagen, lagen diese zum Teil auch auf meinem Bewusstsein: Ich bin ein Kind
der DDR, habe eine besondere Schule besucht, in der man ab der dritten
Klasse Russisch lernte. Ich habe sicherlich in den ersten Jahren meiner
Bekanntschaft mit der Ukraine einiges nicht gleich richtig verstanden, es
war auch ein sehr verwirrendes Land, in dem Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft gleichzeitig existierten und miteinander rangen. Glücklicherweise
habe ich damals keine Talkshows besucht und mein Unwissen zum Besten
gegeben …
Die EUropäische Perspektive
Springen wir von diesen alten Gedichten zur Wirklichkeit: Heute, am 11. Mai
2022, schreibt der aus Brüssel nach Berlin zurückgekehrte Politiker Ralf Fuecks auf Twitter von seinen “Mitbringseln”:
Zitat: (1) Keine Verzögerung beim EU-Kandidatenstatus für die Ukraine.
(2) EU-Rechtsrahmen zur Verwendung russischer Vermögenswerte für den Wiederaufbau der Ukraine
(3) Wiederaufbau muss sofort beginnen => Ukraine-Recoveryfund
Das sind in dem schrecklichen Krieg, den Russland seit 2014 gegen die
Ukraine führt und im Jahr 2022 intensiviert hat, gute Nachrichten.
Die Ukraine gehört zu Europa.
Україна – це
Європа.
”10 EUROpäer” herunterladen
63 Seiten · PDF · 0,6 MB