Wer die Jugend für sich hat, so geht der Glaube, gewinnt mit ihr und durch
sie die Zukunft, und das nicht nur in Staatengebilden, die nach einer
bestimmten politischen Auffassung totalitär genannt werden. Den Alten ist
die Jugend eine frische Hoffnung, dass ihr Leben und Werk fortgesetzt
werde, oft auch darauf, dass es nach ihnen etwas "besser" sein
möge, hier freilich die eigenen Maßstäbe vorausgesetzt.
Die Lebensbahnen, nicht nur in Form elterlicher oder gesellschaftlicher
Erwartungen, sind vorgegeben, schon bevor die Jungen auf dieser Welt
erscheinen, aber nach hinten hin verlieren sie an Festigkeit; der eine
merkt dies später als ein anderer, zündet dann sein Sprengwerk, die totale
Befreiung aber muss Illusion bleiben, da jedem unleugbar die eigene
Vergangenheit, d.i. vor allem das Gebildetwordensein, anhaftet.
Eine jede Jugend läuft so auf die große Enttäuschung hinaus, die der Stand
der Erwachsenen ist. Die Versprechungen der Alten lösen sich nicht ein, es
gibt keine Götter, Ideologieblasen platzen, die eigenen Träume erweisen
sich als kontrafaktisch und daher nie zu verwirklichen.
Ähnlich ging es auch Ludwig Harig, geb. 1927 in Sulzbach/Saar, der in
seinem autobiographischen Buch Weh dem, der aus der Reihe tanzt (1990) seine vom Nationalsozialismus geprägte Kindheit schildert. Eine
Geschichte wie Millionen, betrachtet aus dem sicheren Abstand von 40, 50
Jahren: Machtergreifung und Gleichschaltung, Rassenkunde und Kriegsspiele,
Bombenangriffe und Untergang... Die unbeteiligte Nachwelt registriert nur
noch die Fakten, sie war ja nicht dabei.
Weh dem, der aus der Reihe tanzt: Immer wieder groß angelegte Bilder, so
vom bewunderten Hengst, der im Schlachthof landet oder der Fahne, die mehr
als der Tod ist, aber im Augenblicke des Todes in einer Pappschachtel
alleingelassen wird. Das ist von Harig alles ganz gut erzählt, das Buch ist
schmal, jedoch noch oft zu weitschweifig. Den Kindern mag man es geben,
damit sie etwas daraus lernen, vielleicht ist es auch speziell für sie
geschrieben worden; aber wie erwähnt: die Perspektive der Nachbetrachtung
nimmt dem Buch das Leben, alles steht ja schon fest. So bleibt dem Leser
nicht viel Raum. Mehr davon findet er z.B. in Dieter Nolls Die Abenteuer des Werner Holt - ein Buch, das wohl kaum ein Jugendlicher, der es gelesen, vergisst, da es
den Wahn unserer Vorfahren viel eindringlicher schildert, als es Harig in
dem seinen, zur Poesie hinneigenden vermag.