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Einladung zur Enthauptung

Vladimir Nabokov

Cincinnatus. Wer ist das? Ein zum Tode Verurteilter in Nabokovs Roman "Einladung zur Enthauptung" (1933/59). Was führte zum Urteil? Cincinnatus´ sogenannte "Undurchdringlichkeit", "Opazität", "Okklusion" in einer transparenten Attrappenwelt, die nichts echtes duldet, die alles wahrhaftige, undurchschaubare als Kapitalverbrechen betrachtet, ausrotten muss. Wann soll das Urteil an Cincinnatus vollstreckt werden? Vielleicht morgen, vielleicht morgen. Die Folter der Ungewissheit, die quälende Angst, der Hohn der Henker in ihren befremdenden Monologen, sinnlosen Ritualen. Für Cincinnatus der einzige Trost: Magere Aufzeichnungen aus der Zelle, die den Körper eventuell überdauern, über das verblassende Leben hinausgehen. "Ich brauche wenigstens die theoretische Möglichkeit, dass ich einen Leser habe [...]". "Einladung zur Enthauptung" scheint wie eine Anlehnung an Kafkas "Der Proceß", nur ist sie in Farbe - bunter, unseriöser, üppig, verschwenderisch, teilweise unnötig wie die in ihm enthaltene Figur der lolita-haften, 12-jährigen Emmi, die Nabokov an Cincinnatus adressiert sagen lässt: "Wir rennen weg, und Du heiratest mich". Eine Häufung von unsympathischen, unterschwelligen pädophilen Tönen. Nabokov, warum? Wenn das Zerrupfen von Schmetterlingen allein nicht mehr glücklich macht ---

Aber es gibt auch wahrhaft große Sätze in diesem Buch:

"Ich bin irrtümlich hier - ich meine nicht speziell dieses Gefängnis - ich meine diese ganze schreckliche, gestreifte Welt; eine Welt, die kein schlechtes Beispiel dilettantischer Bastelei zu sein scheint, aber in Wahrheit Unglück, Schrecken, Wahnsinn, Irrtum ist [...]"

Weitere kann der Leser selber finden, wenn er will, denn er muss nicht. Kafka ist es viel ergreifender, eindringlicher gelungen, den unter der Willkür der Macht vollkommen hilflos leidenden Menschen im langsamen und vollkommen akkurat ausgeführten Prozess seiner Zerquetschung zu zeigen. Vielleicht ist die deutsche Sprache für eine solche Schilderung auch besonders gut geeignet...

Diese Rezension schrieb:
Arne-Wigand Baganz (2005-08-06)

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