Nebelstreiflicht, wo bist Du? Hier ist es so kalt.
Tief tauchen
meine Gedanken in die kleinen unschuldigen Augen, die sich nur blass
hinter der Fensterscheibe abzeichnen. Es ist, als würde ich in meine
eigene Seele eindringen, in eine Parallelwelt, die ist, wie ich
- durch ein weiteres Fenster in die jetzt gelebte Vergangenheit.
Ich sehe: das Gesicht des Jungen ist bleich und ausdruckslos, vielleicht
liegt auch eine ungewisse Angst auf ihm oder ein verborgener Schrecken.
Er schaut ins Nichts, ist ganz weit weg und immer schon in einem
anderen Universum, wo ich ihn wiedertreffe, aber er weiß es noch
nicht, kann meine Existenz nicht erahnen, lebt nur für sich und
teilt seine Gedanken nicht mit anderen Menschen. Er gleicht einem
Gott und doch ist er mehr als das, was dieses Wort bezeichnet. Die
Sprache reicht nicht aus, um dieses tragische kleine Wesen zu beschreiben
- und trotzdem versuche ich es hier mit diesen Zeilen.
Neben dem Gesicht des Jungen erscheint plötzlich der bereits durch
den unaufhaltsamen körperlichen Verfall gekennzeichnete Kopf eines
Mannes. Wenn der Junge das Licht ist, so ist dieser Mensch der Schatten.
Er kennt keine Schönheit, das Trümmerfeld ist seine Heimat und das
Massengrab sein Olymp. Seine schwarzen Augen sind ein blutlüsternes
Geschwistermörderpaar - und schon sind sie wie tiefgefrorene Dolche
auf den ahnungslosen Jungen gerichtet.
Der Junge erschaudert und auch mich packt die Kälte, die mich wie
einstürzender Beton erschlagen will. Da ist nichts, was ich tun
könnte. Traurig winke ich dem armen Geschöpf zu. Es sieht mich nicht
und ist vielleicht schon in seinem eigenen Himmel angekommen. Ganz
allein.
Dann ertönt unweigerlich
der schrille Ton einer Pfeife und der Zug setzt sich langsam in
Bewegung. Rollende Räder auf Schicksalgleisen, ohnmächtig sehe ich
zu, wie sie sich ratternd entfernen, immer weiter weg von mir und
schon bald werden sie in der Endstation mit hirnzerreißendem Folterquietschen
zum finalen Stillstand kommen.
Und die gemeinen Mörder warten schon.