für S
Siehst Du, wie
die Nacht sich ergießt am traurig schimmernden Himmel - dort
oben ein blinkender Haufen von Sternen, so entfernt. Einen nur werde
ich greifen und Dir schenken in meiner endlosen Liebe, dass alle
Nacht wird strahlen wie am sonnigsten Tage des Jahres. Ewiglich.
Und ich will Dir erzählen eine Geschichte, die geschah in einem
kurzen Augenblick der Abwesenheit, wahrscheinlich nur wenigen Sekunden
- ich selbst habe sie verpasst und doch erfuhr ich von ihr auf einigen
Umwegen. Ich nehme an, sie ist nun verfälscht, aber was ändert
es, ich werde trotzdem anfangen, von ihr zu berichten:
"In einem
Schattenreich wurde einst ein Prinz geboren und sehr sorgsam erzogen.
Des Nachts war sein Kopf auf ein hartes Buch gebettet, darin die
wichtigsten Regeln für ein geordnetes Leben geschrieben standen.
Und immer vor dem Einschlafen las man ihm daraus vor, und er musste
alles Wort für Wort wiederholen. Vor Anstrengung geriet der
kleine Prinz schnell in einen tiefen Schlaf, und seine Erzieher
schoben ihm, so bald er in seinem Schlummer versunken war, dass
harte Buch unter den Kopf. Da stieß der Prinz stets einen
wimmernden, kaum hörbaren Seufzer aus. Dann träumte er
oft von schwarzen Spinnen, die in feuchten Ecken ihre weißen
Netze woben und in denen er sich mit seinen zierlichen Ärmchen
verfing.
Als der Prinz älter war, schien er ein schwarzes Wesen wie
alle am Hofe und im gesamten Reiche geworden zu sein. Er hatte die
schwierigen Verhaltensweisen gut gelernt und fiel nicht weiter auf.
Niemand sah das Licht, dass seine Seele von innen erstrahlte und
ihn wärmte in den einsamsten Stunden, wenn die Zeiger der Uhr
nur noch mühsam vorankrochen und jedes weitere Ticken der Mechanik
zu einer Erlösung wurde. Ihm war selbst so dunkel geworden,
dass er nicht sah, was für ein fröhlicher Mensch in ihm
steckte.
Des Prinzen Tage waren erfüllt von einer erdrückenden
Trauer. Seine Tränen verbarg er in den verstecktesten Winkeln
des Schlosses, aber manchmal traten sie ungewollt hervor und liefen
mahnend von den samtenen Wänden. In panischer Angst versuchte
er dann, ihre Spuren zu verwischen, was ihm meist mit großer
Perfektion gelang.
Die Menschen lobten den Prinzen für sein gutes Benehmen. Er
war auf dem Weg, eine von allen anerkannte Persönlichkeit im
Schattenreich zu werden - aber es sollte nicht sein.
Das Licht in der Seele des Prinzen brannte von Tag zu Tag heller
und wärmer. Seine Haut fing an, einen rötlich-glühenden
Schimmer anzunehmen und die Leute begannen heimlich zu munkeln,
dass etwas mit dem Prinzen nicht stimmte.
Als dem Prinzen diese Gerüchte zu Ohr kamen, beschloss er,
sich in seine schwersten Gewänder zu hüllen, damit niemand
mehr seine verräterische Haut sehen konnte. Sein Gesicht bemalte
er mit weisser Farbe, aber all dies half nichts. Nicht länger
konnte er das Licht, welches nun wie eine gütige Flamme in
ihm loderte, unterdrücken.
Eines Tages brach es aus ihm heraus und das Schattenreich verging.
Von da an ward alles Licht und gut."