Über die Gendersprache zu schreiben oder zu diskutieren ist irgendwie so
müßig wie eine Grippe zu haben, und doch ist sie ein Thema, das nach wie
vor die Gemüter erhitzt, um das gar ein regelrechter Kulturkrieg entbrannt
ist: Zivilisation und Barbarei stehen wieder einmal einander antagonistisch
gegenüber. Diese hier angesprochene Art Sprache ist durch die
gesellschaftliche Präsenz, für die ihre oft fanatischen Adepten in
exponierten Positionen sorgen, schwer zu ignorieren, gerade weil sie ja
stören und zerstören will, was früher heil war und gut funktioniert hat.
Ich selbst habe mich mit dem Thema bereits mehr beschäftigt, als mir lieb
gewesen ist und viel Zeit damit verschwendet, und trotzdem drängen sich im
Alltag immer neue Beobachtungen auf, die ich nicht für mich behalten kann
und mag, gerade weil viele Leidende lieber still schweigen als ein Stück
ihrer eigenen Haut zu riskieren, um dem sprachmaoistischen Spuk ein
schnelles Ende zu bereiten, das er auf jeden Fall verdient hat.
Die gesellschaftliche Zerrüttungsmission, in der die Gendersprache
unterwegs ist, treibt in Deutschland inzwischen tragische Blüten, obwohl
sie nur von einer lauten Minderheit getragen wird. Grob kann man die
Menschen, betrachtet man ihr Verhältnis zum ideologischen Neusprech, in
drei Kategorien einordnen:
1) die Mehrheit, welche die Gendersprache als hässlich, unnütz usw. klar
ablehnt;
2) mehr oder weniger geschickt agierende Wechselspieler, die sich in
öffentlichen Situationen genötigt sehen, die Gendersprache zu benutzen, um
von der nächsten Kategorie nicht als Schlecht-Mensch eingeordnet zu werden;
3) eine öffentlich sehr wirksame Gruppe von sich selbst so begreifenden
Besser-Menschen, die ihr Sprachunding knallhart durchzuziehen versuchen
(wobei sie im Übereifer immer mal wieder in das ein oder andere
Fettnäpfchen tappen, Stichwörter: talibanesische Islamist*innen,
Hamas-Kommandeur*innen ...), weil sie einfach an das unanzweifelbar
Segenbringende ihrer fatalen Sache glauben. Ohne Straucheln können
allerdings auch sie ihre unpraktische Kunstsprache nicht vertreten.
Wenn eine große Anzahl von Menschen über eine gemeinsame, einheitliche
Sprache verfügt und diese benutzen kann, um miteinander auszukommen, so ist
das gleichfalls auch ein großes zu bewahrendes Gut, welches der Mehrheit
dient. Das Kommunizieren fällt leicht, man muss sich nicht mit lästigen,
strittigen Formfragen beschäftigen und kann sich tatsächlich ganz den
Inhalten widmen. Diese bisher gemeinsame, einheitliche Sprache wurde und
wird aber durch die Genderfraktion mit ihrer fixen Idee, Genus und Sexus in
Einklang bringen zu müssen (woran sie auch auf geradezu groteske Weise
scheitert), geschickt unterminiert. Um Aussagen von Menschen genau zu
begreifen, muss man heutzutage plötzlich wissen, welcher
Gendersprechkategorie (1, 2, 3) sie zuzuordnen sind. Am schwierigsten ist
auf jeden Fall die zweite Kategorie zu verstehen: Sie fängt beispielsweise
einen Satz an, vergisst das Gendern bei einigen Bezeichnungen und beendet
den Satz mit gegenderten Bezeichnungen – wohl in der Hoffnung, einmal doch
vom Jüngsten Gendergericht, so es denn abgehalten wird, verschont zu
werden, weil sie sich immerhin bemüht hat, die regelwidrige und
unnatürliche Gendersprache zu gebrauchen. Dieses zufällige Stilstückwerk
muss man dann als Zuhörer im Kopf wieder mühsam sortieren und man liegt
sicherlich hier und da einmal falsch bei seiner Interpretation. Man hört
vielleicht das Wort “Schülerinnen”. Sind wirklich nur weibliche Schüler
gemeint? Habe ich eine Kunstpause überhört, wurde sie unabsichtlich
verschluckt? Sind unter “Schülerinnen” in dem vorliegenden Fall also
vielleicht auch männliche Schüler zu verstehen? Ist das Geschlecht für das
Erzählte überhaupt relevant? Und worum ging es in dem Gesagten eigentlich
inhaltlich? Keine Ahnung, ich habe es schon vergessen, da ich über die
Genderei nachdenke, immer über diese verfluchte Genderei. Ei ei ei.
Schauen wir genau hin, lassen wir uns nichts vormachen: Letztlich heisst
das heute in Deutschland praktizierte Gendern ja nur, dass das bisher
allgemeinverständliche generische “Maskulinum” durch ein “generisches”
Femininum (überall wird plötzlich ein -in- oder -innen-Suffix angehängt)
ersetzt wird. Um diese augenscheinliche Tatsache ein wenig zu verschleiern,
kommt vor dem überflüssigen und unökonomischen femininen Wortdehnsuffix
noch ein typographischer Störer in Form eines Sternchens, Doppelpunkts oder
Unterstrichs, in dem sich Diverse widergespiegelt sehen sollen … Heute
dies, morgen das, jeder macht es, wie er will (Ärzt:innen, Ärzt*innen,
Ärzt_innen). Das neuartige “generische” Femininum soll dann also, weil es
das generische “Maskulinum” und oft das Maskulinum selbst eliminiert (wo
ist der Arzt in Ärzt:innen, Ärzt*innen, Ärzt_innen?), für mehr
Geschlechtergerechtigkeit sorgen. Juchei! Ei ei. Genaueres dazu bleibt
selbstverständlich für immer im Dunkeln, weil es schlicht unsagbar, der
ganze Spaß unbegründbar ist. Das generische “Maskulinum” hingegen wird von
Kategorie 3 als Instrument einer diskriminierenden Sprache hingestellt, wer
es benutzt, wird von den Gendersprachgläubigen als diskriminierend
diskriminiert, als gestriger Schlecht-Mensch abgestempelt und verdammt.
Was hilft? Es aussitzen und hoffen, dass irgendwann alle zur Vernunft
kommen, sich zutiefst errötet ihrer früheren Sprachschandtaten schämen und
wieder eine gemeinsame Sprache nutzen wollen? Die Gerichte anrufen und
klagen, wenn man seine Rechte verletzt sieht? Oder wenigstens dort, wo der
Staat involviert ist (ÖRR, Schulen, Ämter etc.), gesetzlich
Regelkonformität im Sprachgebrauch erzwingen? Ich bin mir nicht sicher,
aber auf jeden Fall sollte sich die Mehrheit nicht die Sprache einer
fehlgeleiteten und häufig besessenen Minderheit aufzwingen lassen. Trotz
der gern aufgebauten moralischen Drohkulisse:
Die Gendersprache muss man sich nicht bieten lassen. Sie macht kaputt, sie
zerstört und kann daher auch “gern weg” – besser heute noch als morgen.